Rund 500 der 30.000 in Europa lebenden sogenannten „Schmetterlingskinder“ kommen aus Österreich. Um diese seltene Erkrankung bestens diagnostizieren und behandeln zu können, initiierten Experten am Salzburger Universitätklinikum ein weltweit agierendes Netzwerk, das bereits nach 10 Jahren Patner aus 65 Ländern umspannt. Teil dieses Netzwerks ist das von Pflegefachkräften organisierte „Nursing Forum for EB Care“, welches den internationalen Erfahrungsaustausch ermöglicht.
Bei einer seltenen Krankheit wie Epidermolysis bullosa (EB) ist der Erfahrungsschatz der einzelnen KlinikerInnen und anderer Gesundheitsdienstleister begrenzt. Die Betroffenen – besser als „Schmetterlingskinder“ bekannt – machen mitunter einen jahrelangen Leidensweg durch, weil es noch wenig Wissen und nur vereinzelt medizinische SpezialistInnen für die Diagnose, Behandlung und Betreuung gibt. Der internationale Austausch ist deshalb entscheidend, um die Erfahrungen der wenigen EB-ExpertInnen zu bündeln und damit die Versorgung der PatientInnen zu verbessern. Um das zu ermöglichen, wurde vor zehn Jahren in Österreich eine einzigartige Initiative gestartet: Das Netzwerk EB-CLINET wurde 2011 vom ehemaligen Leiter der Dermatologischen Abteilung am Salzburger Universitätsklinikum, Prim. Prof. Dr. Helmut Hintner, und Dr.in Gabriela Pohla-Gubo, ehemalige Leiterin der EB-Haus Akademie initiiert und wird seit damals von der Patientenorganisation DEBRA Austria finanziert.
Österreichische Initiative vernetzt 127 Partner weltweit
Ziel war und ist es, in jedem Land der Welt zumindest eine/n EB-ExpertIn oder ein EB-Zentrum als zentralen Ansprechpartner für EB-PatientInnen zu etablieren. Heute sind im Netzwerk von EB-CLINET 127 PartnerInnen aus 65 Ländern registriert. Dazu gehören vor allem ÄrztInnen und anderes medizinisches und pflegerisches Personal.
Aufgrund der hohen Expertise und Bekanntheit des EB-Haus Austria treten EB-PatientInnen aus aller Welt mit der Spezialklinik in Kontakt und suchen Hilfe bei der Behandlung ihrer Erkrankung. Dr. Rainer Riedl, Gründer und Geschäftsführer von DEBRA Austria: „Anfragen und Hilferufe aus vielen Ländern innerhalb und außerhalb Europas haben damals gezeigt, dass ein großer Bedarf an fachlicher Information und Erfahrungsaustausch besteht – und dass dieses Wissen lokal meist nicht ausreichend vorhanden ist. Unser Ansatz war deshalb: Wir wollten unser Fachwissen teilen und von anderen lernen. Das Fachwissen sollte reisen und nicht der Patient.“
„So können wir österreichischen PatientInnen Entwicklungen aus anderen Ländern zugänglich machen sowie im Gegenzug unsere weltweit herausragende Expertise in die Welt tragen“, ergänzt Dr.in Sophie Kitzmüller, Leiterin von EB-CLINET und der EB-Akademie. Das weltumspannende Netzwerk EB-CLINET wird durch das Team der EB-Akademie im EB-Haus Austria am Salzburger Universitätsklinikum betreut und erleichtert die Kommunikation, um neue wissenschaftliche und klinische Erkenntnis möglichst rasch in die Behandlung von EB-PatientInnen einfließen zu lassen.
Konkret sorgt die Initiative EB-CLINET für
- eine weltweite Vernetzung aller EB-Zentren und ExpertInnen
- den Austausch von Wissen und Erfahrung über Epidermolysis bullosa (EB) unter den Partnern und Interessenten
- das Schaffen von Aus- und Weiterbildungsangeboten
- Information über und den schnellen und einfachen Zugang zu exzellenter Fachliteratur
- eine Vereinfachung der länderübergreifenden Versorgung
- die Information über neue Therapiemöglichkeiten und die fachgerechte Behandlung sowie
- den Zugang zu klinischen Studien
Klinische Studien und Publikationen sind bei einer seltenen Erkrankung wie EB dringend nötig, aber rar. „Umso wichtiger ist es, Studien zu forcieren und PatientInnen dafür zu rekrutieren. Nur so können wir die Entwicklung und den Zugang zu neuen Therapieoptionen sicherstellen“, so Riedl.
Der Wissensaustausch ist nicht nur unter ÄrztInnen, sondern auch im pflegerischen Bereich maßgeblich. Aus diesem Grund wurde das „Nursing Forum for EB Care“ ins Leben gerufen. KrankenpflegerInnen tauschen sich hier zu Fragen über neue Verbandsmaterialien, Best-Practice-Nachbehandlung geplanter Eingriffe, Erleichterungen für den Alltag, Verwendung von Medikamenten/Salben/Hilfsmitteln aus. Vielen Pflegekräften konnte bereits bei speziellen Fragen geholfen und so eine gute Versorgung der PatientInnen sichergestellt werden.
Digitale Werkzeuge unterstützen globalen Knowhow-Transfer und Erfahrungsaustausch
Um dem Austausch der weltweiten ExpertInnen einen festen Rahmen zu geben, findet üblicherweise alle zwei Jahre eine EB-CLINET Konferenz statt. Darüber hinaus läuft die Kommunikation vor allem über digitale Kanäle. Im monatlichen EB-CLINET Newsletter werden neben neuesten allgemeinen Informationen aus dem klinischen Bereich, Termine kommender Veranstaltungen sowie auch neueste Publikationen geteilt. Auf der Website von EB-CLINET finden BesucherInnen alle aktuellen „Clinical Practice Guidelines“, bekommen Zugang oder Links zu Lerninhalten, Publikationen und weiteren nützlichen Tools. Weiters ist mithilfe der „Partner Map“, einer interaktiven Karte, eine zielgerichtete Suche nach klinischen SpezialistInnen möglich. Dies erleichtert Orientierung und Vernetzung innerhalb der EB-Community.
Alle Angebote von EB-CLINET werden kostenlos zur Verfügung gestellt.
Neue Angebote während der Pandemie
Gerade in Zeiten von COVID hat EB-CLINET gezeigt, wie essenziell ein solides, internationales Netzwerk von EB-ExpertenInnen ist. Um den Bereich Weiterbildung auch in COVID Zeiten sicherzustellen, wurden neue Angebote wie das EB-CLINET Online-Seminar geschaffen. Im März 2021 wurde erstmals ein solches Seminar zum Thema „Oral Care in EB“ angeboten. Dabei teilte eine weltweit anerkannte Spezialistin für Zahnheilkunde bei PatientInnen mit EB ihr Wissen mit interessiertem Fachpersonal, verteilt über den ganzen Globus. Das Seminar fand mit 136 Anmeldungen aus 35 Ländern großen Anklang. „Es ist uns wichtig, die Themen unserer Weiterbildungsangebote vielfältig zu gestalten. Wer die Erkrankung kennt weiß, dass EB-PatientInnen nicht nur eine gute Versorgung der Haut brauchen, sondern auch Themen wie Zahnheilkunde, Ernährung, psychologische Unterstützung, Ergotherapie und vieles andere in ihrer ganzheitlichen Behandlung eine wichtige Rolle spielen. Wir machen uns daher auf die Suche nach ExpertInnenen in diesen Feldern und schaffen Möglichkeiten dieses Wissen einfach zugänglich zu verbreiten“, fasst Dr.in Sophie Kitzmüller die Intention hinter diesem neuen Format zusammen.
Ein weiteres Seminar dieser Art fand im November 2021 zum Thema „Psychosocial Development“ statt. Wieder bereiteten führende SpezialistInnen Fachwissen so auf, dass dieses in der Praxis gut umgesetzt und neueste Erkenntnisse für Fachpersonal weltweit zugänglich gemacht werden kann. Die Seminare stehen kostenlos für interessiertes Fachpersonal zur Verfügung. Bei den Live-Veranstaltungen gibt es auch Platz für Fragen und Diskussionen. Im Anschluss sind die Inhalte auf der EB-CLINET Webseite abzurufen.
Weiters plant EB-CLINET für heuer ein D-A-CH-Symposium zum Thema „Juckreiz und Schmerz bei EB.
Internationales Best practice-Modell für seltene Erkrankungen
„Die EB-SpezialistInnen und die mit anderen DEBRA Organisationen gemeinsam entwickelten Behandlungsleitlinien (CPGs) sind inzwischen wesentliche Bausteine für die Behandlungssicherheit und die Verbesserung der Lebensqualität der PatientInnen“, betont Riedl. „Ohne EB-CLINET wäre das nicht möglich geworden.“ Seit der Gründung von EB-CLINET dient das Netzwerk als Vorzeigemodell für internationale Vernetzung von medizinischen Fachkräften, welche mit der Betreuung von PatientInnen mit seltenen Erkrankungen (in diesem Fall EB) betraut sind.
> Weitere Informationen finden Sie unter www.eb-clinet.org
Epidermolysis bullosa (EB) zählt zu den seltenen Erkrankungen: In Österreich leben rund 500 Menschen, in Europa rund 30.000 Menschen mit der Erkrankung Epidermolysis bullosa (EB). Betroffene werden als „Schmetterlingskinder“ bezeichnet, da ihre Haut so verletzlich wie die Flügel eines Schmetterlings ist. EB bewirkt, dass die Haut bei der kleinsten Berührung Blasen bildet oder sogar reißt. Aufgrund einer Genveränderung werden bestimmte Proteine fehlerhaft oder gar nicht ausgebildet, dadurch fehlt der Zusammenhalt der Hautschichten.
DEBRA Austria, Hilfe bei Epidermolysis bullosa: DEBRA Austria wurde 1995 als Selbsthilfegruppe von Betroffenen, Angehörigen, Pflegeexpert*innen und ÄrztInnen mit dem Ziel gegründet, Erfahrungsaustausch und Hilfe für Menschen mit EB zu organisieren. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, kompetente medizinische Versorgung für die „Schmetterlingskinder“ zu ermöglichen und durch gezielte, erstklassige Forschung die Chance auf Heilung zu erhöhen. Auf Initiative von DEBRA Austria und mit Spenden wurde 2005 die weltweit einzige Spezialklinik für „Schmetterlingskinder“ – das EB-Haus Austria – am Salzburger Universitätsklinikum eröffnet und kommt seither für den laufenden Betrieb auf. 2017 wurde diese Einrichtung zum ersten österreichischen Expertisezentrum für seltene Erkrankungen designiert. |