Studie zeigt auf: Implizit rationierte Pflege in Österreichs Spitälern bereits bedenkliche Realität

84 % der Pflegeteams in Österreichs Krankenhäusern müssen notwendige Pflegeinterventionen bei Patient*innen weglassen. Dies ergab eine aktuelle Studie MISSCARE Austria der Karl Landsteiner Privatuniversität in Krems.

Österreich hat eine der höchsten Krankenhausbettendichten in Europa. Dem gegenüber steht aber eine geringe Anzahl von Pflegepersonen pro Krankenhausbett. Ob diese Diskrepanz sich auch in einer mangelnden Patient:innenversorgung niederschlägt, wurde im Rahmen der Studie MISSCARE Austria der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems untersucht.

Die Forscherinnen Ana Cartaxo, MSc und Univ.-Prof. Dr. Hanna Mayer vom Fachbereich Pflegewissenschaft an der KL sowie die Pflegewissenschaftlerin Inge Eberl von der Fakultät für Soziale Arbeit an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, beleuchteten konkret das Phänomen der implizierten Rationierung von Pflegetätigkeiten – „Missed Nursing Care“.

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Die drei Studienautorinnen Ana Cartaxo, MSc und Univ.-Prof. Dr. Hanna Mayer (KL -Universität Krems) sowie Inge Eberl (Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt, nicht im Bild) beleuchteten das Phänomen der stillschweigenden Rationierung von Pflegetätigkeiten – „Missed Nursing Care“. ÖGKV-Präsidentin Elisabeth Potzmann (re.) und das LAZARUS PflegeNetzWerk unterstützten die Studie.

Foto: ÖGKV

Die Pflegewissenschaftlerinnen befragten dazu über 1.000 Pflegepersonen auf Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern. Die Ergebnisse der jetzt gemeinsam mit Mag.a Elisabeth Potzmann (ÖGKV Präsidentin) präsentierten Studie bestätigten die Annahme, dass die Versorgung nur unvollständig durchgeführt werden kann: 84 % der befragten Pflegepersonen geben an, dass sie und/oder ihr Team mindestens eine der für die Patient*innenversorgung notwendigen Interventionen implizit rationieren. Dies betrifft vor allem Pflegetätigkeiten, die zum Kernkompetenzbereich der Pflegeberufe gehören. Häufig weggelassen werden z.B.:

  • emotionale Unterstützung (67,5%)
  • Gesprächsführung mit Patient:innen und Angehörigen (60,6%)
  • Überwachung von kognitiv beeinträchtigten Patient:innen (48,4%)
  • Beratung und Schulung zur Entlassung (48,1%)
  • Mobilisieren der Patient:innen (47,6%)

Fachkräftemangel bewirkt häufige personelle Unterbesetzung

Erhoben wurde auch die Angemessenheit der Pflegepersonalbesetzung. Nur 3,6% der Befragten gaben an, dass diese in den vergangenen 3 Monaten auf ihrer Station immer gegeben war. Bei 50,4% war die Personalbesetzung selten angemessen und bei 17,4 % nie. Im Rahmen der Befragung gaben auch 74,6 % der Teilnehmer:innen an daran zu denken, den Pflegeberuf zu verlassen. „Die eindeutigen Zusammenhänge zwischen dem Weglassen grundsätzlich notwendiger Pflegeversorgung, fehlender Personalressourcen, geringer Arbeitszufriedenheit und der Absicht von Pflegepersonen, den Pflegeberuf zu verlassen, sollen nun Konsequenzen für pflegewissenschaftliche Forschung in Österreich und für die weitere Entwicklung der Rolle professioneller Pflege nach sich ziehen“, resümiert Studienautorin Ana Cartaxo, MSc.

Letzten Endes führt Missed Nursing Care auch zur Minderung der Patientensicherheit. Eine Entwicklung, die es zur beobachten gilt. „Implizite Rationierung von Pflegetätigkeiten (Missed Nursing Care), in Kombination mit der Frage nach der subjektiven Angemessenheit von Personalbesetzung, wäre – bei regelmäßiger Erhebung – nicht nur ein guter Monitor für Pflegequalität, sondern auch ein sehr guter Prädiktor für einen drohenden Pflege- bzw. Versorgungsnotstand“, ergänzt Univ.Prof. Dr. Hanna Mayer, Leiterin des Fachbereichs Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt Person-Centred Care Research an der KL.

Auch Mag.a Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV) mahnt: „Was wir in der Pflege schon lange gefühlsmäßig wahrnehmen und beklagen, ist jetzt mit Zahlen belegt. Es ist Zeit zu handeln.“

Unterstützt wurde die Studie durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften, den Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV), ´Heilberufe´ Sience/Springer Verlag, das pflegenetz sowie durch das LAZARUS PflegeNetzWerk International_D-A-CH.

>zur Nachlese des Teil-I hier

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Die Studienautorinnen:

  • Ana Valente dos Santos Cartaxo, MSc
    wissenschaftliche Assistentin im Fachbereich Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt Person-Centred Care Research, Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (DOC), Doktorandin an der Vienna Doctoral School of Social Sciences der Universität Wien
  • Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Hanna Mayer
    Leiterin Fachbereich Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt Person-Centred Care Research, Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften
  • Prof.in Dr.in Inge Eberl
    Prodekanin und Professorin für Pflegewissenschaft, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Fakultät für Soziale Arbeit, Eichstätt.

>Nachtrag vom 22.11.2022 – Artikel von Hanna Mayer und Ana Valente dos Santos Cartaxo (NÖPPA)

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