Sterbende und Angehörige während Corona-Pandemie: Würdevolle Palliativversorgung muss jetzt neu organisiert werden

Die Begleitung von schwerkranken und sterbenden Menschen war insbesondere in der ersten Welle der COVID-19-Pandemie herausfordernd. Extremer Infektionsschutz und totale Besuchsverbote erschwerten die Versorgung der Patient*innen und die Zuwendung durch Angehörige. Eine aufschlussreiche Studie untersuchte die Palliativversorgung in der ersten Pandemiewelle und wurde jetzt dafür ausgezeichnet.

Wissenschaftler*innen der PallPan-Forschungsgruppe haben unter Leitung von Prof. Dr. med. Birgitt van Oorschot (Würzburg, Bild) patientennah tätige Klinikmitarbeitende zu ihren Erfahrungen in dieser Zeit befragt. Demnach verschlechterte sich die Versorgungsqualität der Patient*innen in der Pandemie deutlich. Insbesondere die Vereinsamung der Betroffenen wurde als belastend empfunden. Ihre Ergebnisse sowie darauf basierende Verbesserungsvorschläge für die Zukunft sind 2022 in der Thieme Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ erschienen. Die Originalarbeit erhält den diesjährigen „DMW Walter Siegenthaler Preis“. Die Auszeichnung wurde am 24. April 2023 im Rahmen des 129. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) verliehen.

PallPan – Palliativversorgung in Pandemiezeiten ist ein Verbund aus 13 universitären palliativmedizinischen Einrichtungen in Deutschland. In gemeinsamen Forschungsprojekten untersuchen Wissenschaftler*innen die Patientenversorgung und Hospizarbeit während der Pandemie. Die jetzt ausgezeichnete Studie ist ein Teil dieser Arbeit.

Umfrageergebnisse

Mehr als ein Drittel der Befragten berichtete über eine verschlechterte Versorgungsqualität von Schwerkranken und Sterbenden. Besonders belastend empfanden sie die Vereinsamung der Patient*innen (86 %). Hinzu kamen die verschärften Hygieneregeln (81 %), die erhöhte Arbeitsbelastung (73 %) und die psychische Belastung von Angehörigen und Hinterbliebenen (78 %). Um mit Angehörigen Kontakt zu halten, konnten Patient*innen teilweise Tablets nutzen (28 %) oder erhielten das Angebot einer Videokonferenz (9 %). 61 Prozent der Befragten gaben an, palliativmedizinisches Fachpersonal eingebunden zu haben. 70 Prozent hätten weitere palliativmedizinische Angebote als hilfreich empfunden.

Resümee der Autor*innen: Aus den Erfahrungen lernen

„Die Ergebnisse zeigen, dass wir in Zukunft verstärkt digitale Möglichkeiten wie videogestützte Familiengespräche anbieten sollten. Auch könnten Seelsorger*innen und Hospiz-Ehrenamtliche mehr als bisher auf Station unterstützen“, empfehlen die Studien-Autor*innen. Zudem fordern sie, die Palliativversorgung als einen festen Bestandteil in zukünftige Pandemie- und Krisenpläne zu integrieren.

Prof. van Oorschot selbst leitet das Interdisziplinäre Zentrum Palliativmedizin in Würzburg. Sie erklärt: „Es ist wichtig, aus den zurückliegenden Erfahrungen zu lernen und Maßnahmen für die Zukunft zu entwickeln, um Patient*innen jederzeit ein würdevolles Sterben zu ermöglichen.“ Dazu müssten jedoch ausreichend personelle und materielle Ressourcen in den Kliniken geschaffen werden.

 

> zur Originalarbeit(Open Access frei abrufbar)

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Der DMW Walter Siegenthaler Preis

Die 1875 gegründete DMW, die seit 1887 im Georg Thieme Verlag erscheint, vergibt die nach dem Schweizer Internisten Professor Dr. med. Dr. h. c. Walter Siegenthaler (1923–2010) benannte Auszeichnung in diesem Jahr zum 24. Mal. Der mit 5000 Euro dotierte Preis zeichnet Autorinnen und Autoren aus, deren Forschungsarbeit im Vorjahr in der DMW publiziert wurde und prägenden Einfluss auf Medizin und Gesundheit genommen hat und nimmt.

Foto und Quelle

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