Der Lebenswelt Heim Bundesverband zeigt in einem Offenen Brief die Probleme auf, die das Gesundheitstelematikgesetz mit sich bringt – und hinterfragt: „Wie barrierefrei nutzbar sind diese für jene, denen die Dienstleistung zugutekommen sollte?“
Das angesprochene Gesetz regelt neben der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) und dem elektronischen Impfpass auch, wie die eindeutige Identifikation von Patient*innen zu erfolgen hat, die ein elektronisches Rezept in der Apotheke einlösen möchten. Während der Corona-Pandemie wurde eine Sonderregelung getroffen, die nun Ende Juni 2023 ausgelaufen ist. Das bedeutet, dass sich Personen seit 1. Juli 2023 beim Einlösen von e-Rezepten in der Apotheke entweder mit ihrer E-Card, mittels meineSV-App am Smartphone oder mittels 12stelligem elektronischem Code ausweisen müssen. Digitalisierung ist auch hier die Devise. Der Arzt druckt nicht mehr ein Rezept in Papierform aus, sondern verordnet das Präparat elektronisch, dieser elektronische Datensatz kommt in die Apotheke und die betroffene Person, die sich auf eine der oben beschriebenen Arten eindeutig ausweist, erhält das Medikament. Klingt doch gut, oder?
Nur hat man hier leider auf die älteren Menschen vergessen. Wenn die Ärzte nun keine Papierrezepte mehr ausdrucken, ist es für jene, die auf fremde Hilfe angewiesen sind, beinahe unmöglich, ein Rezept in der Apotheke einzulösen.
Gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG), in der sich die großen Anbieter mobiler Pflegedienste zusammengeschlossen haben und weiteren Organisationen hat der Lebenswelt Heim Bundesverband in den letzten Monaten bei den verantwortlichen Stellen – dem Ministerium und dem Dachverband der Sozialversicherungsträger – intensiv auf das Problem aufmerksam gemacht.
„Überall, wo ein Mensch darauf angewiesen ist, dass jemand stellvertretend für ihn ein Medikament abholt, stoßen wir auf große Probleme“, alarmiert Martin König (Bild), der Vizepräsident von Lebenswelt Heim. „Viele ältere Menschen besitzen kein Smartphone und können dementsprechend die digitalen Lösungen wie die meineSV-App oder die elektronische ID nicht nutzen. Besonders schwierig ist es dort, wo professionelle Pflegedienste für mehrere Klient*innen gleichzeitig die Medikamentengebarung übernehmen. Das gilt für die mobilen Dienste gleichermaßen wie für uns in den Pflegeheimen“, berichtet König. „Den Heimen bleibt dann in Wirklichkeit nichts anderes übrig, als die e-Cards der Bewohner*innen in eine Schuhschachtel zu packen und jemanden aus dem Team damit in die Apotheke zu schicken. Das ist den Mitarbeitenden nicht zumutbar, das verschlingt Personalressourcen, die wir nicht haben und das widerspricht in jeglicher Hinsicht dem Datenschutz. Es braucht jetzt dringend eine Lösung!“ alarmiert König. Er spricht stellvertretend für die Führungskräfte und Mitarbeiternden in den rund 650 Mitgliedsheimen des Lebenswelt Heim Bundesverbandes.
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e-cards der Heimbewohner*innen stets aufs Neue einsammeln und zur Abholung der mittels e-Rezept verordneten Medikamente in die Apotheke tragen? Unterstützende Digitalisierung sieht anders aus …
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„Der Versorgungsprozess endet weder mit dem Gesetz noch mit der Verschreibung, er endet bei den Betroffenen. Es geht darum, optimale Rahmenbedingungen zu schaffen und das bedeutet, diese Aufgabe rechtlich, logistisch und finanziell aufwandsgerecht abzusichern“ konkretisiert Jakob Kabas, Präsident von Lebenswelt Heim: „Die Sozialversicherung schlägt uns vor, dem Problem mit einer Softwarelösung zu begegnen, die die Daten vom Pflegeheim zum Arzt und in weiterer Folge zur Apotheke übermittelt. Das hilft uns aber nicht viel, denn als Pflegeheim kann ich weder einer Arztordination noch einer Apotheke vorschreiben, welche Systeme sie in ihren Abläufen implementieren sollen. Und das Problem, wie die Medikamente dann in der Apotheke ausgegeben und abgeholt werden können, ist damit ebenfalls nicht gelöst.“
Aber warum ist es so schwierig, eine gemeinsame Lösung zu finden, die rechtskonform und gleichzeitig in der Praxis umsetzbar ist? Jakob Kabas hat darauf eine Antwort: „Wenn wir aus der Pandemie eines gelernt haben, dann, dass Prozesse in der Umsetzung funktionieren, wenn alle Betroffenen von Beginn an gut eingebunden sind. Klar ist das der mühsamere Weg, aber er führt aus der Perspektive der unmittelbar Betroffenen zum Ziel. Das ist in diesem Fall leider nicht passiert.“
Der Lebenswelt Heim Bundesverband fordert angesichts der Dringlichkeit des Themas eine rasche Lösung, die sicherstellt, dass es zu keinen Versorgungslücken kommt. Gleichzeitig muss währenddessen eine funktionierende und praktikable Dauerlösung gefunden werden.
„Wir können nicht akzeptieren, dass Bewohner:innen unversorgt bleiben, weil einzelne Ärzt*innen die Verordnung bzw. Apotheken die Ausfolgung von Medikamenten ohne physischen e-Card-Kontakt verweigern. Bereits jetzt kommt es aufgrund der großen Unsicherheiten in ganz Österreich zu solchen Situationen,“ fasst Martin König zusammen. Es ist jetzt dringend notwendig, dass endlich alle Beteiligten in diesem Versorgungsprozess in die Erarbeitung von rechtskonformen und praktikablen Lösungen eingebunden werden.