Krankenhausreform: Eckpunkte mit Ländern akkordiert – zehn Forderungen des DBfK

Die große Krankenhausreform soll bereits Anfang 2024 – mit noch unklaren Übergangsfristen – in Kraft treten. Deren Eckpunkte wurden mit den Gesundheitspolitiker*innen aller Bundesländer abgestimmt. Bayern drängt auf weitere Nachbesserungen. Auch die Pflegeberufsverbände haben Forderungen veröffentlicht.

Zum Auftakt konferierten die Gesundheitsminister*innen und -senator*innen der Bundesländer mit Deutschlands Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach vom 5. bis 6. Juli 2023 in Friedrichshafen am Bodensee über die Eckpunkte der anstehenden großen Krankenhausreform.

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Ein kurzer Rückblick zur Ausgangslage: Die bisherigen Fallpauschalen (DRG) erzeugen einen ökonomischen Druck auf die Krankenhäuser – Stichwort: Mengenausweitung anstatt Qualität – dennoch schreiben immer mehr von ihnen rote Zahlen oder sind bereits insolvenzgefährdet. Deshalb sollen künftig bei deutschen Kliniken 60 Prozent über Vorhaltepauschalen gedeckt werden. „Also bekommen diese endlich Geld dafür, dass sie den Betrieb einhalten, auch wenn gerade kein Rettungswagen vorfährt und niemand operiert wird“, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Und weiter: Lauterbach habe Recht, wenn er sagt, dass damit auch die kleinen Kliniken auf dem Land wieder eine faire Überlebenschance hätten. Und Patientinnen und Patienten könnten eher wieder darauf vertrauen, dass die Behandlung, die ihnen zuteil wird, tatsächlich medizinisch sinnvoll und notwendig sei. Die Gefahr, dass sich Krankenhäuser auf Kosten der Kranken wirtschaftlich über Wasser halten, schrumpfe.

Spezialisierung erhöht Qualität und sichert Zukunft kleinerer Spitäler

Wobei nur jene Kliniken mit Vorhaltepauschalen rechnen können, die auch entsprechende Qualitätskriterien erfüllten. «Kleine Kliniken könnten sich damit darauf konzentrieren, was sie gut leisten könnten», so die Frankfurter Allgemeine. Für Lauterbach sei die Reform auch eine «Existenzgarantie für kleine Kliniken auf dem Land». Dies helfe auch gerade Krankenhäusern im Osten des Landes, weil dort viele Spitäler gefährdet seien, weil sie nach dem bisherigen System nicht mehr auf genügend Behandlungsfälle kämen.

Die Länder haben gemeinschaftlich den Vorschlag des Bundesgesundheitsministers bewertet. Einigkeit besteht darin, dass es eine Entökonomisierung der Krankenhausfinanzierung braucht. Das bedeutet: Weg vom Anreizsystem der Fallmengen hin zum Erhalt und zur Weiterentwicklung von Qualität. Diskutiert wird weiterhin die Frage des Übergangszeitraums und der notwendigen Übergangsfinanzierung. Des Weiteren warten die Länder nach wie vor auf die angekündigte Folgeabschätzung des Bundes, um einen Überblick über die wesentlichen Auswirkungen in den einzelnen Ländern zu erhalten.

Schließungen von Standorten sind nur die ultima ratio, vielmehr werden Kooperation, Spezialisierung, Vernetzung und bedarfsgerechte Umwidmungen im Sinne einer flächendeckenden Primärversorgung die Regel sein. In den ostdeutschen Bundesländern hat bereits nach der Wende eine Strukturbereinigung im Bereich der Kliniken stattgefunden, sodass die Strukturen hier bereits „schlanker“ und effizienter aufgestellt sind. In den westdeutschen Bundesländern findet genau diese Strukturbereinigung teilweise jetzt statt, weil sie zwingend erforderlich ist, um die Versorgung und Finanzierung auf tragfähige Beine zu stellen.

> zu den Beschlüssen der GMK

Und wo bleibt die Pflege? DBfK stellt zehn Forderungen zur Reform

Der DBfK hatte bereits in einem Policy Brief für die Ausschöpfung des pflegefachlichen Potenzials in der Reform argumentiert und in einer Pressemitteilung mit scharfer Kritik auf die Eckpunkte reagiert. Nun legt der Verband mit einem Positionspapier nach, in dem zehn Forderungen für eine gelingende Reform formuliert sind.

„Unser Aufruf an die politisch Verantwortlichen ist klar: Nutzen Sie das pflegefachliche Potenzial, sonst wird die Reform nicht gelingen“, so DBfK-Präsidentin Christel Bienstein. „Wir sehen deutlich, dass wir neben dem gravierenden Personalmangel in allen Gesundheitsberufen mit einer Fehlversorgung konfrontiert sind. Diese gefährdet eine sichere Versorgung der Bevölkerung. Im OECD-Vergleich geben wir für die Gesundheitsversorgung das meiste Geld aus, erzielen aber nur mittelmäßige Ergebnisse. Dies ist einerseits auf einen Mangel in der Primärversorgung zurückzuführen, der parallel mit einer echten Strukturreform angegangen werden muss. Andererseits wissen wir, dass die Pflegepersonalausstattung und die Quote akademisch ausgebildeter Pflegefachpersonen in den Kliniken direkt mit den Komplikations- und Mortalitätsraten zusammenhängen. Ein Ausbau der Primärversorgung und höhere Personalschlüssel mit mehr akademisch ausgebildeten Pflegefachpersonen sind dringend erforderlich, wenn die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung wirklich verbessert werden soll.“

Im nun vorliegenden Positionspapier „Krankenhausstrukturreform: Pflegefachliches Potenzial nutzen“ stellt der DBfK daher die folgenden zehn Forderungen auf:

  1. Level-Ii-Krankenhäuser müssen geschaffen und so konzipiert werden, dass sie kurzzeitige stationäre Behandlung ermöglichen und je nach regionalem Bedarf auch als Primärversorgungszentrum aufgestellt sein können.
  2. Die Qualitätskriterien in den Leistungsgruppen müssen die pflegerische Leistung spiegeln und einen bedarfsgerechten Personalschlüssel sowie den notwendigen Qualifikationsmix für die Pflegeberufe beinhalten. Ein sinnvoller Personalschlüssel ergibt sich zum Beispiel aus der PPR 2.0 und der assoziierten Instrumente. Außerdem ist eine pflegewissenschaftlich begründete Quote für akademisch ausgebildete Pflegefachpersonen für die jeweiligen Leistungsgruppen notwendig.
  3. Es wird ein Pflegeforschungsprogramm in Deutschland benötigt, um Pflegequalität wissenschaftlich zu fundieren. Die Disziplinbildung von Pflegewissenschaft in Deutschland muss gefördert werden, um auch in diesem Fach wissenschaftliche Exzellenz entwickeln zu können.
  4. Pflegerische Berufsbilder wie Advanced Practice Nurses (APN) mit unterschiedlichen Schwerpunkten im Krankenhaus, in der stationären und ambulanten Langzeitpflege sowie Community Health Nurses (CHN) in der Primärversorgung müssen etabliert werden.
  5. Eine pflegerische Notfallversorgung, wie sie im vierten Gutachten der Regierungskommission skizziert ist, muss geschaffen werden und durch auf Masterniveau ausgebildete APN mit entsprechender Handlungskompetenz ausgeübt werden.
  6. Level-Ii-Krankenhäuser spielen eine zentrale Rolle für die regionale akutpflegerische Versorgung. Sie verbinden den stationären und ambulanten Bereich miteinander, wenn sie beispielsweise den Übergang in die Häuslichkeit organisieren. Damit haben die Level-Ii-Krankenhäuser einen starken pflegerischen Auftrag, der pflegefachliche Kompetenzen auf hohem Niveau voraussetzt. Sie müssen daher auch unter fachlicher Leitung von APN stehen können.
  7. Rechtliche Weichen im Heilberufs- und Leistungsrecht müssen gestellt und das Pflegeberufegesetz an die neuen Anforderungen angepasst werden. Die Ausübung von Heilkunde ist im Sinne von Substitution in einem Heilberufegesetz auf Pflegefachpersonen zu übertragen.
  8. Vorbehaltsaufgaben müssen ernst genommen werden und Raum für die Ausführung erhalten. Dazu gehört zuvorderst die Ermächtigung zur eigenständigen Verordnung von Pflege und der dazu erforderlichen Heil- und Hilfsmittel.
  9. Investitionen in Pflegebildung sind notwendig – in primärqualifizierende Bachelor- und spezialisierende Masterstudiengänge ­– außerdem in die Bildung des dafür notwendigen Lehrpersonals. Pflegewissenschaft und Forschung sind zu stärken.
  10. Die bedarfsgerechte Pflege im Krankenhaus ist vollständig zu refinanzieren. Die pflegerischen Leistungen im Sinne der Primärversorgung in Level-Ii-Krankenhäusern sind über ein Leistungsrecht zu finanzieren. Pflegebewertungsrelationen und ein Pflege-DRG-System sind kategorisch abzulehnen.

„Wir können es uns schon lange nicht mehr leisten, die Kompetenz der Pflegefachpersonen brach liegen zu lassen“, so Bienstein. „Wer weiterhin den Stellenwert professioneller Pflege ignoriert, verschärft das Problem und gefährdet die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung“, resümiert der Berufsverband.

Weitere Statements

Claudia Moll, Pflegebeauftragte der Bundesregierung, meint:

„Wichtig ist, dass die Pflege bei der Krankenhausreform mit einbezogen wird, damit auch sie gestärkt wird. Pflegekräfte müssen ihren Kompetenzen entsprechend arbeiten können. Das ist für die Qualität der Versorgung und die Attraktivität des Berufes essentiell.“

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 Gesundheitsministerin Heike Werner (Thüringen):

„Es besteht kein Zweifel daran, dass wir die Krankenhausreform dringend brauchen. Parallel läuft die Vorbereitung der Thüringer Krankenhausplanung mit allen Beteiligten auf Landesebene. Dazu sind wir auf einem guten Weg.“

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Staatsministerin Petra Köpping (Sachsen):

„Für uns ist wichtig, dass die Planungshoheit Ländersache bleibt, gerade auch weil in den Bundesländern sehr unterschiedliche Bedingungen herrschen. Wir haben bereits unsere Hausaufgaben erledigt, seit den 90er Jahren Standorte konzentriert, auf Spezialisierungen gesetzt und dies mit Investitionsfördermitteln von ca. 6 Milliarden Euro begleitet.“

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Gesundheitsminister Klaus Holetschek (Bayern):

„Wir sind uns alle einig, dass ein Vorschaltgesetz zur Sicherung der Liquidität der Krankenhäuser in den Jahren bis zum Greifen der Reform dringend notwendig ist, um einen kalten Strukturwandel zu vermeiden


Deutscher Pflegerat (DPR):

„Die Krankenhausreform entwickelt sich immer mehr in die falsche Richtung“, kritisiert der Deutsche Pflegerat.  Für  DPR-Präsidentin Christine Vogler, wird die Krankenhausreform zur „Utopie in Zahlen“. Anstatt die Profession Pflege in die Beschreibung der aktuellen Situation und auch künftige Bestrebungen zur Verbesserung der Versorgungsqualität miteinzubeziehen, werde beides ignoriert.  In einem gemeinsamen „Policy Brief“ bemängeln die Verbände die fehlende konsequente Berücksichtigung pflegefachlicher Expertise.

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Die Regierungsempfehlungen erwähnten die Qualität der pflegerischen Versorgung und Leistung nicht einmal, kritisierte die Spartengewerkschaft „Bochumer Bund“: Die Pflege werde erneut lediglich als Kostenfaktor betrachtet, ähnlich wie im DRG-System. Die in den Empfehlungen vorgeschlagenen Maßnahmen seien ein „herber Rückschlag für die professionelle Pflege“. Insbesondere der Wegfall der fachlichen Leitung von Advanced Practice Nurses in Level-1i-Kliniken verschwende wertvolles Potenzial. Die Chance auf eine ganzheitliche, patientenzentrierte Versorgung sei damit vertan.

 

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