Gastbeitrag: Fortbildungsverpflichtung der Pflegeberufe in Österreich

Seit der GuKG-Reform 2016 müssen alle Gesundheitsberufe eine Mindestanzahl an Fortbildungsstunden absolvieren, um ihr Fachwissen auf dem neuesten Stand zu halten. In seinem Gastbeitrag erläutert der renommierte Pflegewissenschaftler und -pädagoge Dr. German Quernheim (Bild), wie dieser Verpflichtung nachzukommen ist. Er zeigt auf, wie solche Verpflichtungen im Ausland gehandhabt werden und welche Rolle E-Learning bei der Erfüllung haben kann.

Um ihr Wissen Up To Date zu halten, gilt für Gesundheitsberufe nach österreichischen Berufsgesetzen, eine Mindestanzahl von Fortbildungsstunden wahrzunehmen. Diese liegt je nach Ausbildungsniveau oder Beruf, bei bis zu 60 Stunden in fünf Jahren. Bezogen auf ein Jahr kann bei DGKP von etwa 12 Stunden Fortbildungserfordernis ausgegangen werden (siehe Tab. 1).

Beruf Notwendige Mindeststunden Zeitraum
 1   Dipl. Gesundheits- und Krankenpfleger/in (DGKP) 60 in fünf Jahren
 2   Pflegefachassistenz (PFA) und Pflegeassistenz (PA) 40 in fünf Jahren
 3   Fachsozialbetreuer/in (FSB) und Dipl.                               Sozialbetreuer   (DSB) 32 in zwei Jahren
 4   Sanitäter:in 16 in zwei Jahren
 5   Heimhilfe 16 in zwei Jahren

Tab. 1: Fortbildungspflicht ausgewählter Gesundheitsberufe (eigene Darst.) in Anlehnung an Broschüre der AK-Oberösterreich[1]

Nachdem 2018 die Registrierungspflicht als Voraussetzung für die Ausübung des jeweiligen Gesundheitsberufes eingeführt wurde, endet der fünfjährige Zeitraum der Berufsberechtigung für viele Kolleginnen und Kollegen in diesen Wochen. Die Verlängerung wird über das Gesundheitsberuferegister beantragt. Die zuständige Registrierungsbehörde erinnert die betreffende Person rechtzeitig an die Verlängerung.  Für die Re-Registrierung ist jedoch aktuell ein Nachweis der erreichten Mindestfortbildungen nicht notwendig. Explizit wird es im Anschreiben zur „Verlängerung der Berufsberechtigung“ wie folgt formuliert: „Bitte beachten Sie, dass es auch im Rahmen der Verlängerung zu keiner Überprüfung der Einhaltung der Fortbildungsverpflichtung kommt.“

Wer ist verantwortlich, dass die Fortbildungsstunden erreicht werden?

Die Fortbildungspflicht zählt zu den persönlichen Berufspflichten. Bezogen auf die Gesundheits- und Krankenpflegeberufe ist bei den allgemeinen Berufspflichten festgehalten, dass „Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe […] sich über die neuesten Entwicklungen und Erkenntnisse der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der medizinischen und anderer berufsrelevanter Wissenschaften regelmäßig fortzubilden [haben]“ (GuKG, §4, Abs. 2). Die Arbeiterkammer OÖ weist in ihrer Broschüre „Fortbildungspflicht in Gesundheitsberufen“, darauf hin, dass das Gesundheits- und Krankenpflegeberufe „…grundsätzlich niemandem die Fortbildungsstunden nachweisen [brauchen]“ (S. 6). Ebenso sind bei den spezifischen Berufsgesetzen keine Kontrollen normiert, dessen ungeachtet können jedoch organisations- und dienstrechtliche Regelungen oder Dienstverträge entsprechende Kontrollen vorsehen. Selbstverständlich sollten auch die Arbeitgeber und Träger prüfen, ob und welche Fortbildungsthemen für ihre Mitarbeitenden aktuell und sinnvoll wären. Der ÖGKV fordert zudem die Finanzierung der entstehenden Kosten[2].

Im Vergleich dazu lautet beispielsweise für die Praxisanleitung in Deutschland die Regelung zum erhöhten Fortbildungsbedarf folgendermaßen: Jährlich müssen durch Praxisanleitende (PAL) ein Nachweis über 24 Stunden Fortbildung erbracht werden. Wird dieser nicht vorgelegt, dürfen PAL keinem Examen oder anderen Prüfungen mehr beisitzen (§ 4 Pflegeausbildungs- und Prüfungsverordnung in Deutschland). Ähnliche Kontrollen der Einhaltung sieht das Sanitätergesetz in Österreich vor, bei welchem es zum Verlust der Berufsberechtigung führen kann, wenn die Fortbildungsstunden nicht in voller Anzahl absolviert wurden.

Ungeachtet einer derzeit fehlenden externen Kontrollinstanz für erbrachte Fortbildungsleistung für Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflege ist festzuhalten: Jede Pflegeperson haftet nach dem Prinzip der Eigenverantwortung für sich selbst! Sie kann im Schadensfall zur Rechenschaft gezogen werden und ihre Verantwortung kann nicht auf andere übertragen werden. Eine irrelevante Argumentation im Schadensfall wäre demnach: „Ich konnte das nicht, weil mein Arbeitgeber dazu nie eine Fortbildung angeboten hat“. Im Falle eines Schadens ist von einer Schadensersatzpflicht auszugehen, wenn Mitarbeiter:innen, nach einem Fehler angezeigt werden, und die Mindestanzahl der Fortbildungsstunden nicht nachgewiesen werden kann. Bessere Karten haben die Kolleg:innen, welche den Nachweis ihrer Fortbildungen lückenlos erbringen können.

Einige Gesundheitseinrichtungen nehmen beim aktuellen Auslaufen der ersten fünf-Jahres-Fristen dies zum Anlass, die Fortbildungsverpflichtung ihrer Mitarbeitenden gründlicher zu kontrollieren. Auch viele Pflegepersonen stellen sich die Frage, wie geforderte Fortbildungsstunden zu erreichen sind.

Wie wird die Fortbildungsverpflichtung im Ausland gehandhabt?

Werfen wir einen Blick nach Großbritannien. Dort kontrolliert das NMC (Nursing Midwifery Council), also die britische Pflege- und Hebammenkammer die Fortbildungen. Demnach müssen registrierte Pflegepersonen, gestaffelt nach Dienstjahren und Einsatzgebiet, laut ihrem CPD (Continuing Professional Development) jährlich mindestens 45 Stunden Fortbildung im Rahmen von Kursen erfolgreich absolvieren (Quelle: www.nmc.org.uk/standards/code/). Ebenso bietet die jeweilige Gesundheitseinrichtung intern eigene Fortbildungen an, die zu absolvieren sind. Außerdem wird im Rahmen einer Rezertifizierung zusätzlich abverlangt, dass sich jede Pflegefachperson in ihrer Freizeit nach eigenem Interesse innerhalb von drei Jahren, mindestens 35 Stunden fortbildet. Dazu gehören beispielsweise Themen wie Nursing Education, International Nursing Management, der Besuch von Kongressen und das Lesen von Fachartikeln usw. (www.nmc.org.uk/revalidation).

Unter diesem Link finden Sie ein Interview mit einer deutschsprachigen Pflegefachfrau, die seit vielen Jahren in England arbeitet und Einblicke in die britische Fortbildungskultur vor Ort gibt. Ähnliche Fortbildungsregelungen gibt es in den USA und überwiegend dort, wo akademisierte Pflegeausbildungen umgesetzt werden.

Welche digitalen Fortbildungsmöglichkeiten gibt es?

Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie veränderte sich national wie international im Pflegeberuf das Bildungsverständnis. Als effiziente und angenehme Art der laufenden Fortbildung werden E-Learnings empfunden. Diese werden am Markt in unterschiedlichen Qualitäten angeboten. Wenn früher meist monoton besprochenen Powerpoint-Präsentationen zugehört werden musste, gelten heute die Präsentation echter Praxisvideos, Rollenspiele, spannende Diskussionen zwischen den Vortragenden, interaktive Übungen mit Musik, Experimenten und vieles mehr (z.B. bei www.Anleiten2Go.at) als State Of The Art. Dabei werden neben typischen Fortbildungsthemen für PAL und Teamleitungen auch spannende Gebiete wie Emotionsarbeit, Aufbau von Frustrationstoleranz, Umgang mit herausfordernden Menschen angeboten und es werden Lösungen für den Umgang mit Pflegenden/Nostrifikant:innen aufgezeigt, die noch nicht ausreichend Deutsch können und professionell integriert werden möchten.

Hier haben Teilnehmende die Möglichkeit von zuhause aus, in ruhiger und entspannter Atmosphäre, ein Programm ihrer Wahl auszuwählen. Manche Fortbildungsanbietende ermöglichen, einen Trainingstag im Umfang von acht Unterrichtseinheiten á 45 Minuten, in kleinen Sequenzen zu absolvieren. Dadurch lässt sich beispielsweise ein Programmtag auf bis zu zehn Tage verteilen. So wird ermöglicht, dass Pflegepersonen individuell entscheiden können, zu welcher Tages- oder Nachtzeit sie die Fortbildungsinhalte bearbeiten. Dabei erreichen auch Pflegende mit erschwerter Lebenssituation wie z.B. alleinerziehende Personen ihre geforderten Fortbildungsstunden.

Wie kann die Teilnahme beim E-Learning nachgewiesen werden?

Zuweilen wurden früher E-Learnings von Arbeitgebern eher kritisch betrachtet: arbeiten die Mitarbeiter:innen wirklich aktiv mit oder machen sie nebenbei den Haushalt und führen ihren Hund Gassi?  Diese Bedenken können nun fallen gelassen werden, da es heute Sicherheitsbarrieren gibt. Dabei muss der/die Teilnehmende beispielsweise erst alle Kapitel vollständig bearbeiten. Ein Vorspulen oder Überspringen ist oftmals nicht mehr möglich. Überdies wird mittels Zufallsgenerator bei den Videos ein Zahlencode für 30 Sekunden eingeblendet: Sind Teilnehmende nicht am Gerät, muss das Kapitel von neuem begonnen werden. Ebenso kann nur dann in das nächste Kapitel eingestiegen werden, wenn die Fragen zum jeweiligen Fortbildungsinhalt vollständig und erfolgreich beantwortet wurden.

Menschen mit Migrationshintergrund und sprachlichen Barrieren schätzen speziell die Möglichkeit, die Videos mehrfach ansehen und bei Wunsch wiederholen zu können. Die Geschwindigkeit lässt sich, je nach individuellen Bedürfnissen, beschleunigen oder reduzieren.

Wenn alle Inhalte vollständig durchgearbeitet sind, erhalten die Teilnehmer:innen abschließend ein Zertifikat. Nach dessen Weiterleitung an die Führungsperson wird der Fortbildungstag im Dienstplan eingebucht und die Stunden aufgerechnet. Das ermöglicht sowohl Mitarbeitenden und Leitungspersonen deutlich mehr Flexibilität bei der Planung und Umsetzung von Fortbildungen.

Wie werden digitale Elemente in Weiterbildungen integriert?

Im Rahmen von Weiterbildungen und Studiengängen werden E-Learnings als Flipped-Learning eingesetzt. An der Harvard-University[3] absolvieren beispielsweise dazu die Studierenden zuhause ein Pflichtprogramm. Nur die Studierenden, die den erfolgreichen Teilnahmenachweis vorlegen können, werden im Universitätsgebäude zur Präsenzvorlesung zugelassen. Das ermöglicht Professorinnen und Studierenden ein vertieftes Arbeiten ohne regelmäßige Wiederholung von Grundlagen. So werden E-Learnings bereits in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Rahmen von Blended-Learning-Konzepten in der Weiterbildung zur Praxisanleitung eingesetzt. Die Teilnehmenden bearbeiten zuhause bestimmte E-Learning-Tage orts- und zeitunabhängig und vertiefen/diskutieren/werten diese im anschließenden Präsenzunterricht aus. Damit sparen Unternehmen Raumkapazitäten, Lehrpersonal, Seminarequipment wie Kopien, Pausengetränke und die Teilnehmenden müssen nicht zum Fortbildungsort fahren.

Somit ermöglichen digitale Lösungen ein individuelles und nachhaltiges Lernen und sind eine wertvolle, nicht mehr wegzudenkende Ressource in Zeiten von Fachkräfte- und Pflegepädagog:innen-Mangel. Durch diese zeitgemäße Vorgehensweise werden Personen ohne bürokratische Hürden mit qualitativ sehr guten Angeboten erreicht.

[1] Online unter:  https://ooe.arbeiterkammer.at/service/broschuerenundratgeber/arbeitundrecht/B_2022_Fortbildungspflicht_der_Gesundheitsberufe.pdf (01.09.2023).

[2] Potzmann, Elisabeth (2023) „Pflegereform in Österreich: Die Politik der kleinen Schritte“ in Die Schwester/Der Pfleger Heft 9, S. 86-88

[3] Birgili, B., Seggie, F.N. & Oğuz, E. The trends and outcomes of flipped learning research between 2012 and 2018: A descriptive content analysis. J. Comput. Educ. 8, 365–394 (2021). https://doi.org/10.1007/s40692-021-00183-y

Über den Autor:

Dr. German Quernheim, Pflegewissenschaftler/Pflegepädagoge

und www.Anleiten2Go.at

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