Studie zeigt: Hohe Wertschöpfungseffekte der Langzeitpflege

Obwohl die öffentlichen Aufwendungen für die Langzeitpflege in Österreich im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich ausfallen, fokussiert sich der politische Diskurs seit Jahren auf die damit verbundenen hohen Kosten. Berechnungen des WIFO zeigen allerdings, dass Investitionen in diesem Sektor hohe Rückflüsse in den Wirtschaftskreislauf, aber auch in die öffentlichen Budgets aufweisen.

Eine rein kostenbasierte Betrachtung der öffentlichen Investitionen in die Langzeitpflege ist nach Ansicht der Autor:innen der Studie ökonomisch zu eng. Es gilt die ökonomischen Effekte zu berücksichtigen, die durch Beschäftigung, Steuern, Sozialversicherungsbeiträge sowie den Konsum der im Sektor Beschäftigten ausgelöst werden. Auf der Basis eines ökonometrischen Input-Output-Modells, das regionale Unterschiede berücksichtigt, schätzen die Autor:innen, dass jeder in die Langzeitpflege investierte Euro mit einer Wertschöpfung von 1,70 Euro einhergeht, wobei 70 Cent (d.h. 70% der investierten Mittel) in Form von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen in die öffentlichen Budgets zurückfließen. Der Sektor der Langzeitpflege weist daher einen vergleichsweise hohen Selbstfinanzierunggrad auf.

„Die Ergebnisse zeigen, dass die erzeugten regionalen und nationalen Wertschöpfungseffekte sowie die Rückflüsse in die öffentlichen Budgets angemessen berücksichtigt werden sollten bei der Diskussion um Pflegereformen oder bei den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen“, resümiert Ulrike Famira-Mühlberger (Bild), eine der Studienautor:innen.

Konkret erzeugen die gesamten Ausgaben der Länder, Gemeinden und privaten Individuen für die stationäre Langzeitpflege im Ausmaß von 2,8 Mrd. Euro (2015) einen geschätzten Wertschöpfungseffekt von 4,8 Mrd. Euro, wovon 2 Mrd. in Form von Steuern und SV-Beiträgen in die Budgets zurückfließen. Bei der mobilen Langzeitpflege stehen Ausgaben von knapp 500 Mio. Euro Wertschöpfungseffekte von 1 Mrd. Euro und 420 Mio. Euro an Rückflüssen in öffentliche Budgets gegenüber. Rechnet man beide Bereiche zusammen kommt man auf Ausgaben von 3,4 Mrd. Euro, die Wertschöpfungseffekte von 5,9 Mrd. Euro erzeugen.

Die Modellberechnungen weisen aber auch auf einen weiteren interessanten Aspekt hin. Die Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte in der Langzeitpflege erzeugen starke regionale Wertschöpfungsketten. Durch die hohe Personalintensität von Pflegearbeit und den vergleichsweise geringen Marktradius vieler Input-Dienstleistungen (Essen, Wäschereien, …) produziert der Sektor beträchtliche lokale wirtschaftliche Effekte. Insofern können, so die Studie, Dienstleistungen der Langzeitpflege einen wichtigen ökonomischen Faktor für schrumpfende Regionen mit einem hohen Anteil an älterer Bevölkerung darstellen, indem sie lokale Wertschöpfung und Beschäftigung generieren.

Methodisches zur Studie:

In der Studie wurden offizielle Daten zu Ausgaben für und Beschäftigung in der Langzeitpflege mit den Ausgabenstrukturen von drei großen überregionalen Anbietern im Sektor (Caritas, Diakonie und Volkshilfe) kombiniert und in ein ökonometrisches Input-output-Modell integriert, das regionale Verflechtungen berücksichtigt. Auf dieser Grundlage war es erstmals möglich, direkte, indirekte und abgeleitete ökonomische Effekte der Langzeitpflege auf Bruttowertschöpfung und Beschäftigung abzuschätzen. Zusätzlich wurden die durch diese ökonomischen Aktivitäten anfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge berechnet.

Referenzen:

Gerhard Streicher, Ulrike Famira-Mühlberger, Matthias Firgo: The Economic Impact of Long-term Care Services. Zeitschrift für Sozialreform, 2022, 68, (2), S.211-235, https://doi.org/10.1515/zsr-2022-0009.

Expertin:

Priv.-Doz. Dr. Ulrike Famira-Mühlberger, PhD ist Ökonomin (Senior Economist) und seit 2007 in der Forschungsgruppe „Arbeitsmarktökonomie, Einkommen und soziale Sicherheit“ des WIFO tätig. Seit Oktober 2019 ist sie stellvertretende Leiterin des WIFO mit Fokus auf Außenkoordination. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Pflegevorsorge, der Schnittstellen zwischen Arbeitsmarkt und Sozialem sowie der sozioökonomischen Auswirkungen der Alterung der Bevölkerung.

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