Schweiz: Eigenständige Pflege nicht umgesetzt – SBK fordert von Regierung „Zurück an den Start“

Kaum ein gutes Haar lässt der Schweizer Berufsverband der Pflegefachpersonen SBK an den vom Bundesrat vorgeschlagenen Verordnungsentwürfen zur Umsetzung von Etappe 1 der Pflegeinitiative. Die Ausbildungsoffensive sei zu kompliziert angelegt. Die Umsetzung der eigenständigen Leistungserbringung sei missglückt und verfassungswidrig, stellt der SBK fest und fordert eine gründliche Überarbeitung. 

Während das Parlament bei der Umsetzung der Pflegeinitiative resp. von Verfassungsartikel 117b gute Arbeit gemacht hat, ist der SBK mit den vorgeschlagenen Ausführungsbestimmungen der Bundesregierung nur zum Teil einverstanden. „Die Ausbildungsoffensive erhält die Note genügend bis gut, ist aber kompliziert“, sagt SBK-Geschäftsführerin Yvonne Ribi. „Beim eigenverantwortlichen Bereich – also dem Recht, bestimmte typische pflegerische Leistungen ohne ärztliche Verordnung direkt über das KVG abzurechnen – hat der Bundesrat realitätsferne und überhöhte bürokratische Hürden eingebaut. Hier ist das Ziel klar verfehlt.“

Ausbildungsoffensive: Zu kompliziert, volle Wirkung zweifelhaft

Mit dem «Bundesgesetz über die Förderung der Ausbildung im Bereich der Pflege» sollen mehr Personen die höhere Berufsbildung zur diplomierten Pflegefachperson an einer höheren Fachschule oder eine Fachhochschule abschliessen. Es sieht vor, dass Bund und Kantone während 8 Jahren diese Ausbildungsoffensive mit insgesamt knapp eine Milliarde unterstützen. Die Verordnung zur Umsetzung ist in den Augen des SBK zu kompliziert. Es sind aufwendige Prozesse nötig, damit die Kantone die Bundesgelder zur Förderung der Ausbildung in Bildungsinstitutionen, Praxisbetrieben und für die direkte Unterstützung von Pflegestudierenden erhalten können.  Dem SBK zufolge bestehen Zweifel, ob die Ausbildungsoffensive so genügend Anreize setzt, um ihre volle Wirkung entfalten zu können.

Eigenverantwortlicher Bereich der Pflege: Ein klares „Nicht genügend“

Klar ungenügend umgesetzt ist der autonome Bereich, resp. die Festlegung der Pflegeleistungen, die von Pflegefachpersonen in eigener Verantwortung zulasten der Sozialversicherungen erbracht werden können. „Im vorgeschlagenen Text zur Änderung der Krankenpflegeleistungsverordnung (KLV) wimmelt es von Vorbehalten, Einschränkungen und Bedingungen, die darauf hinauslaufen, den autonomen Bereich der Pflege nicht anzuerkennen, resp. den Pflegefachpersonen nicht die Verantwortung über ihr Fach zu geben“, kritisiert Yvonne Ribi (Bild). Stattdessen würden Kontrollmechanismen eingebaut, wie etwa eine erneute Überprüfung des pflegerischen Bedarfs durch einen Arzt oder eine Ärztin nach 18 Monaten, was dem Wesen der eigenständigen Leistungserbringung widerspricht.

Zudem werde das Recht auf die eigenständige Abrechnung an überhöhte Voraussetzungen geknüpft. So soll dem Regierungsentwurf zufolge nicht nur (wie bisher) eine zweijährige Berufserfahrung vorausgesetzt werden, um zu Lasten der OKP ohne Anordnung abzurechnen – vielmehr sollen künftig weitere zwei Jahre auf jedem(!) Fachgebiet nachgewiesen werden, auf welchem die autonom angeordnete Leistung erbracht wird.

Gemäss Aussagen des BAG ist diese Erfahrung zusätzlich zu leisten. „Das heisst im Extremfall, dass eine Pflegefachfrau, die eine sterbende krebskranke Patientin zu Hause pflegt, zusätzlich noch je zwei Jahre Berufserfahrung in der Onkologie und in der Palliativpflege nachweisen müsste, damit ihre Leistung bezahlt wird“ (Ribi).  Der Vorschlag des Bundesrats widerspreche folglich dem verfassungsmässigen Auftrag, dem Volkswillen und dem gesetzlichen Auftrag.

Das Ziel, den Pflegeberuf attraktiver zu machen und ihn als wichtigen Pfeiler der Gesundheitsversorgung anzuerkennen, werde so in keiner Weise erfüllt. Aus diesem Grund lehnt der SBK den Umsetzungsvorschlag in der aktuellen Form ab und fordert den Bundesrat auf, die Umsetzung in der KLV von Grund auf zu überarbeiten.

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