Personalbemessung in Deutschlands stationärer Krankenpflege: PPR 2.0 startet am 01. Jänner 2024

Der vom BMG veröffentlichte Referentenentwurf für die Pflegepersonalbemessungsverordnung (PPBV) löst gemischte Reaktionen aus: Während sich der DBfK und Deutsche Pflegerat überwiegend positiv äußern, halten der Bundesverband Pflegemanagement und der VPU den Entwurf für nicht umsetzbar.

Laut Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) startet am 01. Jänner 2024 das Pflegepersonalbemessungsinstrument PPR 2.0 sowohl auf Normalstationen für Erwachsene und Kinder als auch auf Intensivstationen für Kinder. Mit der neuen Verordnung soll die Arbeitssituation von Pflegekräften in den Krankenhäusern verbessert und die Qualität der Patientenversorgung gesteigert werden.

Ein Meilenstein für die Pflege und die Patientensicherheit

Der Deutsche Pflegerat (DPR) spricht in einer Presseaussendung zum Entwurf von einem „Meilenstein für die Pflege und die Patientensicherheit“. Erstmals in der Geschichte Deutschlands werde die Pflege im Krankenhaus klar und verbindlich in ihrer Personalausstattung geregelt. Die allgemeine Kritik an der PPR 2.0, insbesondere wenn die Umsetzung der Pflegepersonalbemessungsverordnung in Zweifel gezogen würde, teilt der DPR nicht. Die PPR 2.0 sei valide, reflektiert und in ihrer Entwicklung ein bereits seit vielen Jahren andauernder Prozess in enger Zusammenarbeit mit der Profession Pflege und maßgeblichen Institutionen. „Mit der PPR 2.0 wird ein einfaches und unbürokratisches Instrument zur Personalbedarfsermittlung und -planung eingeführt. Es ist praxiserprobt und orientiert sich am Bedarf der Patienten, nicht an wirtschaftlichen Interessen“, so der DPR. Die Umsetzung der Pflegepersonalbemessungsverordnung verläuft in Etappen. Nach der Einführungsphase kommt die Konvergenzphase. Das heißt, dass Zeit für die Umsetzung bleibt. Zeit für den Aufbau von Strukturen, zur Schulung der Mitarbeitenden und zur Unterstützung durch digitale Systeme. Verstanden werden muss, dass auch wenn die Daten zum 1. April 2024 nicht vorliegen, es nicht zu Sanktionen kommt.

PPR 2.0 endlich gesetzlich verankert

Ähnlich positiv äußert sich der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) zum Mitte November vorgelegten Entwurf: „Die PPR 2.0 ist nun endlich gesetzlich verankert. Dafür setzen wir uns gemeinsam mit den Gewerkschaften und anderen Verbänden schon seit Jahren ein“, lobte DBfK-Präsidentin Christel Bienstein den Vorstoß des Ministeriums.

Ähnlich wie der DPR gibt auch der DBfK zu bedenken, dass es sich bei der PPR 2.0 um ein lernendes Instrument handele, das mit pflegewissenschaftlicher Begleitung weiterentwickelt wird. „Ein lernendes System kann nicht von Anfang an perfekt sein“, so Bienstein. „Es kommt im Prozess der Weiterentwicklung darauf an, dass dieser aus pflegefachlicher Perspektive erfolgt.“ Auc daher hält der Berufsverband die Einführung eines öffentlich finanzierten Instituts für die Personalbedarfsermittlung in der Pflege für unumgänglich, damit eine pflegefachliche Begleitung und Weiterentwicklung des Personalbemessungsinstruments sichergestellt werden kann.

Referentenentwurf „so nicht umsetzbar“

Entgegen den positiven Stellungnahmen des Berufsverbands und des DPR, zeigt sich der Bundesverband Pflegemanagement eher kritisch. Die Einführung der PPR 2.0 als verbindliches Personalbemessungsinstrument zum Januar 2024 sei sowohl zeitlich als auch inhaltlich nicht realistisch. Es stünde außer Frage, dass für eine erfolgreiche Einführung evidenzbasierte Instrumente erforderlich sind, die den Pflegebedarf in verschiede­nen Settings und Pflegesituationen erfassen könnten und zugleich eine Personalbe­messung unter Berücksichtigung des erfassten Bedarfes ermöglichen. Und genau dies ist derzeit mangels hinreichend empirischer Daten und einer reinen Fokussierung auf leistungsbezogene Daten auf Basis von Zeiteinheiten nicht gegeben. Aus Sicht des Bundesverbands Pflegemanagements sprechen neben den pflege­wissenschaftlichen auch ganz praktische Gründe gegen eine zielführende Umsetzung in der aktuellen Form: Derzeit ist keinerlei Refinanzierung der mit der Einführung verbundenen Kosten vorgesehen, was viele finanziell bereits ange­schlagene Krankenhäuser weiter in Bedrängnis bringen dürfte. Die Einführung zum 1. Januar 2024 ist zu kurz bemessen, auch vor dem Hintergrund der unterschiedli­chen technischen Gegebenheiten in den Krankenhäusern.

„Ein so wichtiger Schritt darf nicht unreflektiert im Hauruck-Verfahren getan werden. Das Pflegemanagement, die Pflegewissenschaft und die Pflegepraxis haben mit zahlreichen Stellungnahmen frühzeitig auf Schwachstellen im Entwurf hingewiesen und Wege aufgezeigt“, so Sarah Lukuc, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Pflegemanagement. „Was nach wie vor fehlt, ist die ernsthafte Bereitschaft der Ver­antwortlichen, sich mit den pflegefachlichen Expertenhinweisen auseinanderzuset­zen“, resümiert Lukuc enttäuscht.

Keine Beiträge zur Erreichung der Ziele

An der Umsetzbarkeit des Entwurfs zweifelt auch der Verband der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätskliniken und Medizinischen Hochschulen Deutschlands e.V. (VPU). In einer ausführlichen Stellungnahme bezeichnet der VPU die vorgesehene Zeitschiene zur Einführung der PPR 2.0 für die Universitätskliniken und die Medizinischen Hochschulen als nicht umsetzbar und unrealistisch.

Der derzeitige Digitalisierungsgrad ermögliche aktuell keine zeitnahe Erfassung der drei unterschiedlichen PPR sowie deren umfassende Datenauswertung. Die Beschaffungen von Hard- und Software sei zeitintensiv. Die Alternative, die geforderten Daten per Hand mit einem hohen Pflegepersonalaufwand auf Papier zu erheben, manuell in ein digitales Auswertungstool zu geben und auszuwerten, bis die erforderliche Software auf dem Gesundheitsmarkt verfügbar ist, führt zu einer weiteren Belastung der Pflegefachpersonen.

Auch der Schulungsaufwand des Personals sei laut VPU nicht ausreichend berücksichtigt: Für die Konzeption, Planung und Realisation dieser Schulungen müsse ab dem Inkrafttreten der PPBV mit einem Zeitraum von mindestens sechs Monaten gerechnet werden.

Weiters beklagt der VPU die mangelnde Berücksichtigung des pflegefachlichen Feedbacks im Referentenentwurf. Die Universitätskliniken und Medizinischen Hochschulen, die an den Erprobungen der Instrumente teilnahmen, beklagen, dass pflegefachliches Feedback aus dieser Teilnahme augenscheinlich keinen Eingang in den Referentenentwurf gefunden hat. So wird beispielweise an einigen Stellen der Verordnung eine unkonkrete Fachterminologie verwendet.

Auch die tatsächlichen wirtschaftlichen Aufwendungen der Krankenhäuser werden aus Sicht der VPU erheblich unterschätzt.

Im Fazit zeigt sich der Verband skeptisch, ob die im Entwurf angegebenen Ziele zur Verbesserung der Qualität der Patientenversorgung, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Sicherstellung eine angemessenen Personalausstattung in der Pflege mit der PPBV zur erreichen sind.

 

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