Österreich: Gesundheitsreform ist jetzt in Grundzügen politisch und rechtlich auf Schiene

Rund 115 Seiten umfassen die beiden zentralen Art. 15a-B-VG-Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern, in denen die Eckpunkte der Gesundheitsreform partnerschaftlich festgelegt wurden. Dafür erhalten Länder und Kommunen bis 2028 viel zusätzliches Geld. Die umfassenden Gesetzesänderungen werden am 13. Dezember 2023 im Nationalrat diskutiert und beschlossen und treten grösstenteils Anfang 2024 in Kraft.

In der Einigung zwischen dem Bund und den neun Ländern bekennen sich die Vertragsparteien zu einer üb erregionalen und sektorenübergreifenden Planung und Steuerung sowie zur Sicherstellung einer gesamthaften Finanzierung des gesamten Gesundheitswesens. Ziel sei es, durch mehr Koordination und Kooperation die bestehenden organisatorischen und budgetären Partikularinteressen zu überwinden.

Die Stärkung des niedergelassenen Bereichs, eine bessere Steuerung der Patientenströme, Strukturreformen in den Spitälern, neue digitale Angebote und bessere Vorsorgeprogramme sind einige der angestrebten Ziele, die in den beiden Vereinbarungen immer wieder hervorgehoben werden. Vor allem stehe im Fokus, die Aufgaben zwischen niedergelassenen Ärzt*innen, Spitälern und weiteren Gesundheitseinrichtungen so zu verteilen, dass die Patient*innen die Gesundheitsleistungen möglichst wohnortnahe und am „best point of service” erhalten.

Wie schon seit den Budgetberatungen bekannt, sollen von 2024 bis 2028 zusätzliche Mittel in das System fließen, um dringend erforderliche strukturelle Weichenstellungen vornehmen zu können. Für den niedergelassenen Bereich sind jährlich 300 Mio. € vorgesehen, also insgesamt 1,5 Mrd. € über die ganze Laufzeit des Finanzausgleichs gerechnet. Der spitalsambulante Bereich erhält allein im Jahr 2024 550 Mio. €. Dieser Betrag erhöht sich schrittweise in den folgenden Jahren, wodurch sich bis 2028 eine Summe von rund 3 Mrd. € ergibt. Wenn man Gesundheit und Pflege gemeinsam betrachtet, dann stellt der Bund zusammen mit den Ländern bis Ende 2028 sogar 14 Mrd. € für die beiden Sektoren bereit, ist der Homepage des Gesundheitsressorts zu entnehmen.

Gemeinsame ambitionierte Pläne für das Gesundheitswesen

Im Interesse der in Österreich lebenden Menschen sind Bund und Länder einerseits sowie die Sozialversicherung andererseits als gleichberechtigte Partner übereingekommen, das partnerschaftliche Zielsteuerungssystem zur Steuerung von Struktur, Organisation und Finanzierung der österreichischen Gesundheitsversorgung fortzuführen, heißt es in der Präambel der Vereinbarung „Zielsteuerung-Gesundheit“. Durch die Festlegung von Ausgabenobergrenzen und begleitenden strukturpolitischen Maßnahmen soll die Nachhaltigkeit des Gesundheitswesens auch in Zukunft gewährleistet werden.

Die Festlegung der Eckpunkte und Inhalte der Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern erfolgt in der Vereinbarung „Zielsteuerung Gesundheit“ (>2316 d.B. ). Die Umsetzung der für den Gesundheitsbereich relevanten Teile des Finanzausgleichs für die Jahre 2024 bis 2028 wird in der Vereinbarung über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens abgebildet (>2317 d.B. ).

Gemeinsame Planung und Steuerung der gesundheitlichen Versorgung

In der Zielsteuerungs-Vereinbarung wird betont, dass die Sicherstellung von sowohl qualitativ bestmöglichen Gesundheitsdienstleistungen als auch deren Finanzierung, eine noch bessere „Governance“ der Zuständigkeiten sowie die Beachtung der Prinzipien Wirkungsorientierung, Verantwortlichkeit, Rechenschaftspflicht, Offenheit und Transparenz von Strukturen bzw. Prozessen und Fairness im Mittelpunkt stehen.

Auf Basis der Planungsvorgaben auf Bundesebene werden auf Landesebene die Kapazitäten und regionale Verortung von Gesundheitseinrichtungen im Sachleistungsbereich sowie deren konkrete und verbindliche Versorgungsaufträge sowohl im intra- als auch extramuralen Bereich verbindlich festgelegt. Die Umsetzung der verbindlichen Planung einschließlich der Versorgungsaufträge im niedergelassenen Bereich erfolgt durch die Sozialversicherung. Für wichtig erachten die Systempartner auch die Forcierung des gesundheitsökonomischen Ansatzes, wonach die für die Planung zuständigen Entscheidungsträger auch für die Finanzierung verantwortlich sein müssen und dass zwischen den Gesundheitssektoren das Prinzip „Geld folgt Leistung“ gelten müsse.

„Digital vor ambulant vor stationär“ – Spitäler entlasten, Primärversorgung fördern

Eines der zentralen Ziele der Gesundheitsreform ist die Entlastung des vollstationären Bereichs in den Akut-Krankenanstalten durch Verlagerung von Leistungen in den ambulanten Bereich (Spitalsambulanzen, selbstständige Ambulatorien sowie niedergelassener Bereich), wobei dies laut Vereinbarung auch mit entsprechenden Zielvorgaben verbunden sein soll. Im ambulanten Bereich sollen vorrangig neue multiprofessionelle und interdisziplinäre Primärversorgungseinheiten umgesetzt und Strukturen geschaffen werden, die Öffnungszeiten zu Tagesrand- und Wochenendzeiten anbieten.

Auf Landesebene sollen die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten genutzt werden, um kleinteilige Organisationsformen durch die Bündelung komplexer Leistungen an geeigneten Standorten zu etablieren. Im Regionalen Strukturplan Gesundheit soll zudem eine gesamthafte Planung der ambulanten Versorgung festgelegt werden. Generell steht die Optimierung der Patientenströme und -wege nach dem Prinzip „digital vor ambulant vor stationär“ im Fokus, was etwa durch den Ausbau der Gesundheitsberatung 1450 erreicht werden soll.

Als weitere Schwerpunkte werden die Stärkung der niederschwelligen psychosozialen Versorgung, der ärztlichen Betreuung von Menschen in Pflegeeinrichtungen und in häuslicher Pflege vor Ort in Abstimmung zwischen Gesundheits- und Sozialbereich sowie Maßnahmen zur optimierten Versorgung chronisch kranker Menschen (Disease Management Programme) genannt. Was die Honorierungssysteme betrifft, so sollen diese grundsätzlich in pauschalierter, leistungsorientierter und transparenter Form gestaltet und die dafür erforderlichen rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Für eine bundesweit einheitliche Bewertung von ausgewählten Arzneispezialitäten soll zudem ein strukturierter Prozess sowie ein Bewertungsboard etabliert werden.

Zusätzliches Geld vom Bund künftig wertgesichert

Die Vereinbarung gemäß Art. 15a-B-VG über die „Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens“ schließt inhaltlich an die Zielsteuerung-Gesundheit an und enthält überdies Regeln für folgende Bereiche: Verbindlichkeit der Planung, Gewährleistung einer bedarfsgerechten Versorgung mit Arzneimitteln, Steigerung der Digitalisierung sowie Verbesserung und flächendeckende Verankerung der Planungs- und Qualitätsarbeit.

Wie schon oben angeführt, werden in den nächsten Jahren bis 2028 insgesamt 1,5 Mrd. € zur Stärkung des niedergelassenen Bereichs und rund 3 Mrd. € für den spitalsambulanten Bereich aufgewendet. Zusätzliche Mittel stehen zudem für die Bereiche Digitialisierung/eHealth (255 Mio. €), Gesundheitsförderung (300 Mio. €), Impfen (450 Mio. €) sowie Medikamente (15 Mio. €) zur Verfügung.

Ausgaben im Gesundheitswesen werden gedeckelt

Grundlage der Finanzzielsteuerung sind sektorenübergreifend vereinbarte nominelle Ausgabenobergrenzen, die von den Vertragspartnern im Rahmen des Zielsteuerungsvertrages und der mehrjährigen Landes-Zielsteuerungsübereinkommen festgelegt werde. In Verbindung mit der Umsetzung erforderlicher Strukturmaßnahmen orientiert sich der Anstieg der öffentlichen Gesundheitsausgaben (ohne Langzeitpflege) über die Periode bis 2028 am zu erwartenden nominellen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts zuzüglich eines Aufschlages insbesondere für die demografische Entwicklung und für die zusätzliche Inflation im Gesundheitswesen, der gegen Ende der Laufzeit abnimmt.

Als Ausgangsbasis für die Ermittlung der nominellen Ausgabenobergrenzen wird auf Bundesebene für die Jahre 2024 bis 2028 ein Wert in Höhe von 37,62 Mrd. € fixiert. Davon ausgehend werden für die nächsten Jahre folgende Ausgabenzuwächse als Obergrenzen festgelegt: 6,7 %, 5,8 %, 5,2 %, 4,5 % und 4,42 %.

Umsetzungsgesetz ändert 13 Rechtsmaterien ab 2024

Basierend auf dem Finanzausgleich und den zentralen Art. 15a-Vereinbarungen im Gesundheitsbereich schlug die Regierung Änderungen in insgesamt 13 Rechtsmaterien vor, die zum Großteil ab 1.1.2024 in Kraft treten sollen. Die Sammelnovelle firmiert unter dem Titel „Vereinbarungsumsetzungsgesetz 2024“ (VUG) und umfasst rund 80 Seiten (2310 d.B.).

Generell soll die Gesundheitsreform laut zuständigem Ressort bei folgenden Punkten ansetzen: Stärkung des niedergelassenen Bereichs, Strukturreformen in den Spitälern, Ausbau digitaler Angebote, Gesundheitsförderung und Vorsorge, Impfprogramme und Medikamentenversorgung. Durch die Optimierung der Patientenströme nach dem Prinzip „digital vor ambulant vor stationär“ soll auch ein effektiverer Einsatz der Ressourcen gewährleistet werden.

Die Gesetzesvorlage wurde von den beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne am 10. Dezember 2023 im Gesundheitsausschuss beschlossen und wird nach der Plenumsdiskussion am 13. Dezember 2023 im Nationalrat verabschiedet.

Quelle: PK Nr. 1317 vom 30.11.2023

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