Die Zukunft der Altenpflege: „Stambulant“ leben – das Mitmach-Pflegeheim bald neuer gesetzlicher Standard?

.
Ein Pflegeheim, in dem Leistungen ambulant erbracht werden, sogar durch eigene Angehörige? Ein Pflegeheim, bei dem man mitmachen und Kosten sparen kann? Ein seit 2016 erfolgreich laufendes Modellprojekt „stambulant“ des Heimträgers Benevit in Wyhl am Kaiserstuhl (Ba-Wü) geht neuerlich in die Verlängerung. Jetzt wird eine bundesgesetzliche Regelfinanzierung dieses Sektoren-übergreifenden Versorgungsmodells angestrebt.

Die bundesweit tätige BeneVit Gruppe hat eine erneute Verlängerung für das wegweisende Modellprojekt „stambulant“ im Haus Rheinaue in Wyhl am Kaiserstuhl (Baden-Württemberg) für das Jahr 2024 erhalten. Damit geht das Projekt in das achte Jahr seiner Modellphase.

Weil die Bundespolitik – aller positiven Evaluierungen zum Trotz – noch immer keine gesetzliche Verankerung geschaffen habe, werde ‘stambulant’ zum wohl längsten Modellprojekt Deutschlands. „Eine zweifelhafte Freude für die Bewohner, Angehörigen und Mitarbeiter, die sich nichts mehr als Zukunftsgewissheit wünschen. Und auch für uns als Träger eine jährliche Nervenprobe“, wird Kasper Pfister, Gründer und Inhaber der familiengeführten BeneVit Gruppe, in der Fachzeitschrift Altenpflege zitiert.

Stationäre Sicherheit mit der ambulanten Vielfalt verbinden

Im Rahmen eines vom GKV-Spitzenverband geförderten Modellprogramms zur Weiterentwicklung der stationären Altenpflege wurde von der BeneVit Gruppe in Zusammenarbeit mit den Pflegekassen und dem Sozialministerium Ba-Wü das Konzept „stambulant“ entwickelt und im Juni 2016 das Haus Rheinaue in Wyhl in Betrieb genommen. Zusätzlicheingebunden  waren auch die kommunalen Spitzenverbände, die Krankenhausgesellschaft, der Arbeitgeberverband bpa, der Landkreis und die Gemeinde Wyhl. Ziel des Modellprojektes ist es, stationäre Sicherheit – Sektoren-übergreifend – mit der ambulanten Vielfalt zu verbinden.

Die BeneVit Gruppe werde das Jahr 2024 auch dafür nutzen, um durch eine politische Entscheidung Klarheit zu bekommen. Dies mit dem klaren Ziel, dass „stambulant“ als Regelleistung im Gesetz verankert wird. In den nächsten Wochen – so die Zusage der Berliner Bundespolitik – soll hierzu ein Gesetzesvorschlag vorgelegt werden, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens.

Das Modellprojekt in Kürze

Im  Haus Rheinaue in Wyhl entscheiden die Bewohner*innen bzw. Angehörigen selbst, welche Dienstleistungen sie in Anspruch nehmen wollen und welche Aufgaben die Angehörigen übernehmen oder ein ambulanter Dienst durchführen soll. Dies ermöglicht mehr Zeit miteinander sowie mehr Alltagsnormalität. Zudem hilft es Kosten beim zu zahlenden Eigenanteil zu sparen – denn die Eigenleistungen können mit der Pflegekasse abgerechnet werden.

Die Bewohner*innen zahlen einen festen Betrag für Grundleistungen wie Wohnen, Hauswirtschaft, Betreuung und die grundpflegerische Versorgung rund um die Uhr. Darüber hinaus können sie ein Paket von individuellen „Wahlleistungen“ buchen. Stationäre Sicherheit ist garantiert durch eine 24 Stunden-Fachkraft und vorgeschriebene Baulichkeit.

Ein „Mitmach-Pflegeheim“ nach den Wünschen der Bewohnenden und Angehörigen

„Stambulant leben“ bedeutet:

  •  Auflösung der Sektorengrenzen zwischen den Versorgungsformen: ambulant, stationär, teilstationär, Nachtpflege, Tagespflege, Intensivpflege, Kurzzeitpflege, Verhinderungspflege, ambulante WGs selbst-organisiert, trägerorganisierte ambulante Wohngemeinschaften, stationäre WGs, etc.
  • Ein Leben in der Gemeinschaft mit anderen und wie zuhause.
  • Die Sicherheit durch barrierefreies Wohnen in der Gemeinschaft und 24-Stunden-Begleitung durch Pflegefachpersonal.
  • Mehr Dienstleistung und hohe Qualität für durchschnittlich bis zu 1.000 Euro weniger an monatlichen Eigenanteilen, durch den effizienten Einsatz von Personal, Raum, Technik und die Freiheit, dass Angehörige Leistungen übernehmen können.
  • Als Kunde Dienstleistungen frei wählen und beauftragen zu können, wer was erledigt.
  • Täglich eine Verbesserung des Gesundheitszustands anzustreben, bis hin zur möglichen Reduzierung des derzeitigen Pflegegrads.
  • Qualität zu bezahlbaren Preisen.

>Nähere Infoszum Modellprojekt „stambulant“ finden Sie hier

Literaturempfehlung:

„Die Pflegekatastrophe … und wie wir sie durch gute Konzepte in der Altenpflege verhindern können“, Autor: Kaspar Pfister, Ullstein Verlag, S. 259 ff

 

Foto, Grafik: Benevit Gruppe

image_pdfimage_print