Strukturwandel für mehr Zufriedenheit der Pflege: Das Universitätsklinikum Bonn strebt das US-Gütesiegel „Magnet Hospital“ für seine Pflegequalität an.
Ein Magnetkrankenhaus zeichnet sich durch besonders gute Arbeitsbedingungen, ein wertschätzendes Arbeitsumfeld und eine lösungsorientierte Führungskultur aus. Neben etwa 600 Kliniken weltweit sind bisher nur zwei Kliniken in Europa nach dem US-amerikanische Gütesiegel „Magnet Hospital“ zertifiziert.
Derzeit führt die Pflege konkrete Schritte durch, um dieses Konzept am UKB langfristig zu realisieren. Zudem beteiligt sie sich seit drei Jahren an der europaweiten „Magnet4Europe“-Studie, die prüft, ob die Implementierung des US-amerikanischen Konzepts auch zu positiven Veränderungen wie eine spürbare Zufriedenheit der Pflegefachpersonen mit einer einhergehenden hohen Patientensicherheit in Europa führen kann.
Dabei strebt das UKB die Zertifizierung zur Verbesserung der Pflegebedingungen durch das American Nurses Credentialing Center (ANCC) an.
Magnet-Multiplikatoren am Universitätsklinikum Bonn (UKB): Pflegewissenschaftler Andreas Kocks (vo. rechts)
Foto: Universitätsklinikum Bonn (UKB)
„Ziel eines Magnet Hospital ist es, eine exzellente pflegerische Versorgung zu gewährleisten sowie Pflegefachpersonen anzuziehen und langfristig zu binden – ähnlich der Anziehungskraft eines Magneten“, sagt Alexander Pröbstl, Vorstand Pflege und Patientenservice am UKB. Auf Initiative der Pflegedirektion verfolgt Andreas Kocks, Pflegewissenschaftler am UKB, zusammen mit seinem Team die Idee des Magnet Hospitals und deren Umsetzung am UKB.
Dieses Konzept entstand in den USA als viele Krankenhäuser mit einem massiven Fachkräftemangel wie derzeit in Deutschland konfrontiert waren. Andererseits zogen jedoch einige Kliniken Pflegekräfte an und diese blieben langfristig. Dieses Phänomen untersuchten US-Pflegewissenschaftler in Zusammenarbeit mit dem ANCC.
Ergebnis ist ein evidenzbasierter Katalog mit zahlreichen Maßnahmen für kontinuierliche Qualitätsverbesserungen. Diese umfassen ein breites Spektrum, angefangen von der Auswertung der Mitarbeiter- und Patientenzufriedenheit bis hin zu verschiedenen Führungsansätze unter Beteiligung der Pflege.
Übertragung des Magnet-Konzepts auf ein deutsches Krankenhaus
„Das Magnet-Konzept ist ein Ansatz, der ideal zu den Anforderungen einer Universitätsklinik passt. Zum anderen stehen wir – wie viele andere Pflegebereiche in Deutschland – vor der Herausforderung des Fachkräftemangels,“ beschreibt Kocks die Motivation, dieses-Konzept am UKB einzuführen. 20 Krankenhäuser, darunter 12 weitere Unikliniken in Deutschland machen mit. Erfahrungen und Studien aus den USA belegen, dass so Arbeitsbedingungen geschaffen werden, die Pflegefachpersonen anziehen und langfristig binden. „Das Magnet-Konzept wirkt und die Anstrengungen sowie Ressourcen, die mit dieser Qualitätssiegelung verbunden sind, lohnen sich“, sagt Stephanie Tanzberger, Pflegebereichsleitung am UKB. „Magnet Hospital bedeutet auch Prestige.“
Magnet Hospital bricht Hierarchien auf
Die interprofessionelle Arbeitsgruppe am UKB wurde anfangs mit den international geprägten Anforderungen im Magnet-Konzept herausgefordert, denn deren Übertragung auf ein deutsches Krankenhaus ist aufgrund der Unterschiede in den Bildungssystemen, Tätigkeitsprofilen und Gesundheitssystemen nicht eins zu eins möglich. So ist der Anspruch einer vollständig akademischen Pflege in Deutschland so derzeit noch nicht realisierbar. „Jedoch konnten wir andere Aspekte wie eine Änderung der Führungskultur sowie die Ausrichtung an der Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit schrittweise umsetzen. Beispiele sind eine Patientenbefragung auf Basis eines vergleichenden Benchmarking sowie erste Schritte zur direkten Beteiligung klinisch tätiger Pflegefachpersonen an Entscheidungsprozessen“, sagt Kocks.
Im kommenden Jahr stehen regelmäßige Mitarbeiterbefragungen sowie geteilte Führungsstrukturen auf Pilotstationen auf dem Plan. Seit Neuestem tragen Magnet-Multiplikatoren regelmäßig Impulse aus der Magnet-Hospital AG in die jeweiligen Station-Teams.
Von der amerikanischen Kultur abgucken
„Die USA zeigen uns wie wichtig es ist, seine Arbeit zu schätzen und Erfolge der Pflege ausgiebig zu feiern. Mit dem im letzten Jahr eingeführten „Tag der Pflege“ haben wir einen ersten Schritt in diese Richtung gemacht, den wir nun jährlich weiterführen möchten“, sagt Michelle Kimmich für die Pflegeentwicklung am UKB, der Wertschätzung wichtig ist. Auch geht es ihm darum, die Gesundheit und Arbeitsmotivation der Pflegefachpersonen im Blick zu behalten, denn selbst ohne den Fachkräftemangel ist die Arbeit an einer Universitätsklinik anspruchsvoll und herausfordernd.
„Wir haben bereits erste Maßnahmen wie ein Empathiebasiertes Entlastungskonzept oder eine ‚Going-Home-Checkliste‘ zum bewussten Übergang in die Freizeit nach der Arbeit eingeführt“, berichtet Kocks. Auf der internationalen Magnet-Konferenz in den USA wurden das UKB-Magnet-Team und er kürzlich motiviert und inspiriert.
Ein Beispiel ist der „Daisy Award“, mit dem in den USA Pflegefachpersonen für ihre Arbeit von Patienten und Angehörigen ausgezeichnet werden. „Die Erfahrung zeigt, dass die gesamte Klinik bereit sein muss, den Magnet-Weg zu gehen. Die Tatsache, dass das UKB und sein Vorstand sich bereits seit einiger Zeit für diesen Weg aussprechen und wir breite Unterstützung aus der Pflege und der Ärzteschaft sowie anderen Berufsgruppen erfahren, betrachte ich als großen Gewinn“, sagt Pflegewissenschaftler Andreas Kocks.