UK Erlangen: Angehörigenpflege vs. Berufs-tätigkeit – mehr Unterstützung erforderlich

Mehr Unterstützung für pflegende An- und Zugehörige sei dringend notwendig, so die Auswertung einer Erlanger Studie in einem aktuellen Online-Supplement.

Rund fünf Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig und über 80 Prozent von ihnen werden zu Hause versorgt, so das Statistische Bundesamt. Oft übernehmen An- oder Zugehörige ihre Betreuung. Das Online-Supplement „Pflegebedürftigkeit im Alter“ der Thieme-Fachzeitschrift „Das Gesundheitswesen“ widmet sich in sechs Originalbeiträgen den Herausforderungen, die damit einhergehen. (Herausgeber: PD Dr. Anna Pendergrass und Prof. Dr. Elmar Gräßel, Zentrum für Med. Versorgungsforschung, Uniklinikum Erlangen).

Besonders im Fokus steht die Belastung pflegender – meist weiblicher – Angehöriger. Um pflegen zu können, treten sie oft beruflich kürzer oder geben ihre Erwerbstätigkeit gänzlich auf. Gleichzeitig nutzen viele der Pflegenden keines der vorhandenen Unterstützungsangebote. Ein bedürfnisgerechter Ausbau der Entlastungsangebote sei deshalb dringend notwendig, so das Fazit der Herausgeber.

Die Angehörigenpflege ist weiblich

Laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend pflegen in Deutschland rund 2,5 Millionen An- und Zugehörige neben ihrer Erwerbstätigkeit pflegebedürftige Menschen. Beides gleichzeitig ist oft einfach zu viel, wie die Erlanger Studie „Benefits of Being a Caregiver“ zeigt. Knapp 23 Prozent der befragten Betroffenen reduzierten ihre Arbeitszeit, rund 11 Prozent gaben ihre Arbeit sogar ganz auf. Insbesondere Frauen, das belegt einer der Beiträge im Online-Supplement deutlich, beenden ihre Erwerbstätigkeit. „Das Geschlecht ist damit der bedeutendste Risikofaktor für die Beendigung der beruflichen Tätigkeit“, erklärt PD Dr. Pendergrass, die gemeinsam mit Prof. Gräßel und weiteren Wissenschaftler*innen die sechs Beiträge für die Sonderausgabe verfasst hat.

Die Reduktion oder die Beendigung der Erwerbstätigkeit habe persönliche und gesamtgesellschaftliche Konsequenzen, so Prof. Gräßel: „Der Ausstieg aus dem Beruf ist nicht nur mit finanziellen Einbußen für die Betroffenen verbunden. Ihr Ausscheiden bedeutet auch einen Verlust für den Arbeitsmarkt und den Wirtschaftsstandort Deutschland.“

Diskrepanz zwischen gewünschter und tatsächlicher Nutzung von Hilfsangeboten

Gleichzeitig zeigt sich, dass pflegende An- und Zugehörige ambulante Unterstützungsangebote oft nicht wahrnehmen, obwohl der Wunsch danach besteht. Diese Erkenntnis beruht auf einer repräsentativen Stichprobe von Pflegenden, die eine gesetzlich versicherte Person zu Hause pflegten und die beim Medizinischen Dienst Bayern entweder einen Erstantrag oder einen Antrag auf Erhöhung des Pflegegrads nach Sozialgesetzbuch XI gestellt hatten. Bei der von den Erlanger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durchgeführten Befragung konnten die pflegenden An- und Zugehörigen angeben, ob sie einen ambulanten Pflegedienst, eine Haushaltshilfe, Tagespflege, Essen auf Rädern, einen Fahr- oder Betreuungsdienst, 24-Stunden-Betreuung oder eine Betreuungsgruppe in Anspruch nehmen.

Die Auswertung ergab, dass lediglich 1,7 Prozent eine Betreuungsgruppe nutzten. Den höchsten Zuspruch fand der ambulante Pflegedienst mit 38,4 Prozent. Vier von zehn Befragten nahmen allerdings keines der acht abgefragten Angebote wahr. Gleichzeitig äußerten jedoch 72 Prozent von ihnen den Wunsch, zukünftig mindestens eines davon nutzen zu wollen.

Ausbau ambulanter Angebote dringend erforderlich

„Der Wunsch nach Unterstützung durch ambulante Entlastungsangebote ist deutlich höher als die tatsächliche Inanspruchnahme. Es ist dringend notwendig, die Gründe dafür zu erforschen, warum Wunsch und Wirklichkeit so sehr auseinandergehen. Daraus können dann wirksame Strategien abgeleitet werden, An- und Zugehörige bedarfsgerecht zu unterstützen“, erläutert Anna Pendergrass. Nur so könne in Zukunft sichergestellt werden, dass häusliche Pflege ins Lebenskonzept von pflegenden An- und Zugehörigen passt.

„Auf jeden Fall müssen ambulante Angebote massiv ausgebaut und deren Finanzierung gesichert werden. Nur so können der bereits jetzt vorhandene Wunsch nach Unterstützung gedeckt und die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und häuslicher Pflege ermöglicht werden“, erklärt Elmar Gräßel. Es gehe um die Sicherstellung der Versorgung von Pflegebedürftigen in deren häuslichen Umgebung.

>zum freien Download hier

image_pdfimage_print