Wie sehr Demenzkranke von effizienten Informationsflüssen im Rahmen der „integrierten Versorgung“ bei einem Aufenthalt im Krankenhaus bereits profitieren können, zeigte den Reiseteilnehmern das Beispiel Norwegen.
Das Institut g-plus der Universität Witten/Herdecke führt mit Unterstützung der Robert Bosch Stiftung internationale Studienreisen zum Thema „Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus“ durch. Ziel der Exkursionen ist es, über den eigenen Tellerrand zu sehen und sich von neuen Beispielen der Versorgung zur (Weiter-)Entwicklung eigener Projekte in Deutschland inspirieren zu lassen. Als zweite Studienreise nach einem Besuch 2016 in Großbritannien machte sich nun eine multiprofessionelle Gruppe von 28 Demenzexperten auf den Weg nach Norwegen. Die Teilnehmenden kehrten begeistert und voller neuer Ideen nach fünf erlebnisreichen Tagen zurück.
Die multiprofessionelle Gruppe setzte sich zusammen aus in der Pflege, Pflegewissenschaft, Medizin, Psychologie und im Bereich der sozialen Arbeit Tätigen und besuchte drei große norwegische Krankenhäuser und zwei Universitäten. Schnell wurden erste Unterschiede deutlich: Das Gesundheitssystem in Norwegen wird durch Steuergelder finanziert, das in Deutschland durch Beiträge. In Norwegen werden politische Entscheidungen meist für alle Landesteile zentral gesteuert und in Krankenhäusern umgesetzt, die zu großen Organisationseinheiten (Trusts) zusammengefasst sind. In Deutschland dagegen ist in der Regel jedes Krankenhaus mit der Umsetzung demenzsensibler Strategien auf sich alleine gestellt.
Erste Station der Reise war das Universitätskrankenhaus Ullevål in Oslo, eines der größten Krankenhäuser Skandinaviens. Hier hat auch die für die norwegische Demenzstrategie 2020 zuständige Behörde „Aldring og Helse“ (Altern und Gesundheit) ihren Sitz. Einer der Kernpunkte dieser Strategie ist es, zu jedem Zeitpunkt der Erkrankung – von der Diagnose bis zur Palliativphase – maßgeschneiderte Lösungen anzubieten.
Innovativ erschienen den deutschen Teilnehmenden vor allem die „Memory Teams“, die aus Pflegekräften und Therapeuten bestehen und ein geriatrisches Assessment sowie Teile der Demenzdiagnostik im häuslichen Umfeld durchführen. Sie arbeiten mit dem Hausarzt zusammen, der schließlich die Diagnose stellt.
In Stavanger bei „Sesam“, einem nationalen Kompetenzzentrum für Altersmedizin und Zusammenarbeit, verdeutlichte sich den deutschen Experten, wie effektiv das Handeln der einzelnen Beteiligten im Gesundheitswesen ineinandergreift. Dies funktioniert umso besser, je intensiver der Informationsfluss gestaltet wird.
Ein besonderes Highlight der Reise war für alle Teilnehmenden der Vortrag der aus Deutschland stammenden Professorin Bettina Husebø am Universitätsklinikum Bergen. Ihr Spezialgebiet „Schmerz bei Menschen mit Demenz“ beschreibt eines der großen Probleme in der Krankenhausversorgung. Gemeinsam mit den in Norwegen akademisch ausgebildeten Pflegenden wird eines der Kernkonzepte der Versorgung von Menschen mit Demenz erfolgreich umgesetzt: die Aufnahme ins Krankenhaus möglichst zu vermeiden bzw. die Liegezeiten so kurz wie möglich zu halten.
„Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigten sich nach ihrer Rückkehr von den fachlichen Erfahrungen, der Gastfreundschaft in den besuchten Häusern und dem offenen Austausch während der Studienexkursion beeindruckt“, freute sich Dr. Elke Donath, Leiterin des Instituts g-plus des Departments für Pflegewissenschaft an der UW/H. „Die Referentinnen und Referenten in den Gastinstitutionen zeigten ein hohes Maß an Expertise in ihren jeweiligen Fachgebieten“, so die übereinstimmende Rückmeldung der Teilnehmenden.
Eine dritte Studienreise ist im Rahmen des Programms für April 2018 bereits in Planung. Details zum ausgewählten Land und den geplanten Reisezeiten werden in Kürze veröffentlicht.