Wie berichtet, ist LAZARUS Ehrenpreisträger Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner (88), der große Sozialpsychiater und engagierte Vordenker für ein Altern in Würde und für Alternativen zu Pflegeheimen – am 25. September 2022 verstorben. Einige Zeitzeugen erinnern sich …
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„Klaus Dörner hat mich zum Schreiben angeregt und in dem von ihm gegründeten Psychiatrie Verlag meinen Erstling »Altenpflege – Brücke in den Alltag« (1985) herausgebracht.“ (DGKP Prof. Erwin Böhm, 82, Wien/Niederösterreich)
Der österreichische Altenpflegepionier und vielfache Fachbuchautor war 40 Jahre lang als gerontopsychiatrischer Fachpfleger in Wien tätig. Der Begründer des »Psychobiographischen Pflegemodells«, der Übergangspflege und der Re-Aktivierenden Pflege setzte – zeitgleich mit Prof. Dörner in Deutschland – mit dem Wiener Psychiater Univ.Prof. Dr. Stephan >Rudas (1944 – 2010) zum Ende der 1970-erjahre die Repatriierung hunderter stationärer Patient*innen zurück nach Hause engagiert um.
Mit dieser Psychiatriereform „ambulant vor Stationär“ entstand der wegweisende „Psychosoziale Dienst (>PSD)“ in Wien. Prof. Erwin Böhm wurde hierfür im Jahr 2000 als Erster mit dem >“LAZARUS Ehrenpreis für das Lebenswerk für die Pflege“ sowie weiteren Ehrungen durch Bund und Land Wien ausgezeichnet.
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„Die professionelle psychiatrische Fachpflege wie auch die Altenpflege hat Klaus Dörner – weit über Deutschland hinaus – sehr, sehr viel zu verdanken. Nicht nur das bahnbrechende Lehrbuch, sondern auch sein richtungsweisendes, humanistisches Engagement »aus der Perspektive der Schwächsten«. (Dr.h.c. Sr. Liliane Juchli, Zürich, nach einem persönlichen Zusammentreffen mit Prof. Dörner (li.) beim LAZARUS Pflegekongress in Bad Ischl, Mai 2016, im Bild oben gemeinsam mit Prof. Erwin Böhm, Bildmitte).
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„Wir werden sein Engagement für alte Menschen und seine kritische Stimme – die auch immer Antreiber für innovative Konzepte und alternative Wohnformen waren – sehr vermissen.“ (Red. ´Altenheim´, Vincentz Network).
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„Klaus Dörner hat sich für die Öffnung der Heime eingesetzt, sowie für Menschen mit Demenz und anderen schweren Beeinträchtigungen. Seit seiner Pensionierung 1996 beschäftigte er sich mit der Altenhilfe und speziell mit Alternativen zum Pflegeheim.“ (Landschaftsverband Westfalen-Lippe).
„Neben der Auflösung der stationären (psychiatrischen) Langzeitbereiche und ihrer Überführung in die heutigen LWL-Wohnverbünde und LWL-Pflegezentren initiierte Dörner auch die Gründung des Vereins „Daheim e.V.“, der Dörner selbst in dessen letzter Lebenszeit betreute.“ (Landschaftsverband Westfalen-Lippe).
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„Zusammen mit Ursula Plog hat Klaus Dörner mit »Irren ist menschlich« (1978) eine humanistische, demokratische, eben zutiefst menschliche Psychiatrie entworfen. Eine, in der psychiatrisch Tätige lernen, sich selbst und das eigene Handeln durch die Augen des Anderen wahrzunehmen. Eine Psychiatrie auf Augenhöhe“ (Team des Psychiatrie Verlags, dessen Mitbegründer er war).
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„Die spontane herzliche Umarmung durch diesen großartigen alten Mann wird mir zeitlebens unvergesslich bleiben. Diese Sekunden zählen zu den kostbarsten Momenten in meinem Leben!“ (Erich M. Hofer, Gründer des „LAZARUS Pflegenetzwerk International D-A-CH“ (1986) bei der Verleihung des „LAZARUS Ehrenpreises für das Lebenswerk für die Pflege“ an Prof. Dörner beim Pflegekongress in Bad Ischl, OÖ im Mai 2016 – Bild o.)
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Zitiert …
»… Wer über das Bestehende hinaus will, kann nicht mit Zustimmung rechnen, schon gar nicht von denen, die ihr eigenes Profi-Profil bedroht sehen müssen.«
Klaus Dörner über den Widerstand des medizinischen Establishments gegen Innovation
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„..Klaus Dörner engagierte sich in regem Austausch mit Krankenschwestern für die Pflege in Deutschland, so zum Beispiel mit der Frankfurter Fachkrankenschwester für psychiatrische Pflege Hilde Schädle-Deininger oder dem österreichischen Pflegewissenschaftler Erwin Böhm. …“ (Wikipedia)
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Peter Wißmann (re.) blickt zurück:
„Ja, ich erinnere mich noch gut an die schöne Fachtagung in Bad Ischl und die LAZARUS Ehrenpreisverleihung an Dr. Dörner im Mai 2016. Mit Klaus Dörner hatte ich mehrfach Kontakt, wir haben uns geschrieben, ich habe ihn interviewt, auf Veranstaltungen getroffen und ihn auch einmal in seiner Hamburger Wohnung besucht.
Als ich das erste Mal zu ihm Kontakt aufnehmen wollte, stand ich vor einem Problem. Seine Rufnummer hatte ich nicht. Also habe ich mich auf die Suche nach seiner E-Mailadresse gemacht. Jedoch vergeblich! Also habe ich ihm einen Brief geschrieben. Einige Zeit später erhielt ich seine Antwort. E-Mail und Dergleichen sei nicht seine Sache, ließ er mich wissen, er „schreibe lieber ganz klassisch“.
Ein Markenzeichen: Engst maschinbeschriebene Postkarten
„Aber die Art seines Schriftverkehrs war mehr als klassisch. Ich erhielt keinen Brief, sondern eine kleine Postkarte. Nicht mit der Hand, sondern mit einer alten Schreibmaschine hatte er sie beschrieben. Eine alte, wie ich sie auch vor Jahrzehnten bei meinen ersten Schreibversuchen benutzt hatte. Doch wie er die kleine Postkarte beschrieben hatte! Alle Flächen waren zu 100% ausgenutzt worden, er musste die Karte immer wieder horizontal, vertikal und wie auch immer in die Maschine eingespannt und betippt haben. Kein einziges zusätzliches Wort hätte auf dieses Poststück gepasst. Solch eine traditionsbewusste und ökonomische Art der Korrespondenz hatte ich schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen. Das sollte sich in der Zukunft jedoch ändern, denn immer wieder, wenn ich mit Klaus Dörner schriftlich kommunizierte, wiederholte sich der Vorgang: Ich schrieb einen auf dem PC verfassten Brief und erhielt eine von Schreibmaschinenzeichen überbordende kleine Postkarte als Antwort“. (Beisiel siehe Abb. u. an Herrn Hofer im Jahr 2015):
Es war „das“ Markenzeichen Klaus Dörners – die Retro-Kommunikation ohne Internet, E-Mail oder elektronische Datenträger jedweder Art: Statt dessen Postkarten, mit einer Uralt-Schreibmaschine eng beschriftet (im Bild: Schriftverkehr mit Erich M. Hofer aus dem Jahr 2015)
Peter Wißmann berichtet weiter:
„Mit seiner Distanz zu zeitgenössischen Kommunikationsmitteln bekam ich es später noch einmal zu tun. Als ich ihn in Hamburg in seiner Wohnung besuchte, überreichte ich ihm als Geschenk eine frisch produzierte DVD mit Reden und Vorträgen von prominenten Demenzbetroffenen. Am Ende unseres langen Gesprächs, ich war schon im Gehen begriffen, nahm er die vor ihm liegende DVD und hielt sie mir lächelnd entgegen. „Nehmen Sie die doch einfach wieder mit“, meinte er. „Meine Frau und ich wüssten nicht, wie wir so etwas hier abspielen könnten.“
Klaus Dörner brauchte keine Emails, keinen DVD-Player und auch sonst keinen Technik-Schnick-Schnack, um uns mit seinen fachlichen Impulsen zu bereichern.“
(Peter Wißmann war langjähriger Geschäftsführer der „Demenz Support Sturrgart“. Heute lebt und arbeitet er in Innsbruck (Team WaL – Wachstum ab der Lebensmitte – www.team-wal.commich )
Achtung – „living document“: Falls auch Sie besondere persönliche Erinnerungen beisteuern möchten, bitte per Mail an: – danke!
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> Irren ist menschlich – Webseite des vom Klaus Dörner herausgegebenen Standardwerks